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Archiv-Artikel

„Das erforderte viel Mut“

LESUNG Vor 30 Jahren besetzten Friedens-Aktivisten die Carl-Schurz-Kaserne in Bremerhaven

Burkhard Hergesell

■ 60, ist Kulturwissenschaftler und Autor des Buches „Petting statt Pershing“ (Hauschild Verlag, 2012).

taz: Herr Hergesell, saßen Sie vor 30 Jahren in Bremerhaven auf der Straße?

Burkhard Hergesell: Vor 30 Jahren saß ich bei der Blockade der Kaserne in Mutlangen, wo Pershing Rakten stationiert werden sollten. In Bremerhaven demonstrierten aber einige tausend andere vor der Carl-Schurz-Kaserne.

Was war da los?

Die Friedensbewegung nahm an, dass die neuen Pershing-Raketen über Bremerhaven nach Deutschland kommen würden. Der Umschlag des Hafens diente zu 40 Prozent militärischen Zwecken und der Plan war, die Anlagen symbolisch zu besetzen.

Was hatte es mit den Pershing- Rakten auf sich?

Die US-Amerikaner hatten eine aggressiveren Rüstungspolitik gegen die Sowjetunion begonnen. Beide Supermächte waren damals so hochgerüstet, dass sie sich gegenseitig blockierten und die Amerikaner wollten dieses „Gleichgewicht des Schreckens“ nun durch neue Atomwaffen außerhalb ihres eigenen Territoriums kippen. Man sprach damals von einem „Plan Euroshima“.

Sie haben über die Bremerhavener Blockade ein Buch geschrieben. Was war gerade hier besonders?

Die Friedensbewegung hatte zuvor immer nur Demonstrationen gemacht und wollte hier zum ersten Mal etwas Neues ausprobieren, offensiver und experimenteller. Sich auf die Straße zu setzen und drei Tage lang alle Straßen und Eisenbahnlinien zu blockieren, sodass kein LKW und kein Zug rausfahren konnte – das erforderte viel Mut.

Waren die Demonstranten erfolgreich?

Die Stationierung der Raketen konnte nicht verhindert werden. Die Friedensbewegung hat es aber geschafft, militante Aktionen zu verhindern und die Proteste nicht ins Kriminelle abdriften zu lassen. Der damalige Polizeipräsident Eckhard Naumann sagte mir während meiner Recherchen, dass sogar die wenigen Wasserwerfereinsätze auf Provokationen seitens der Polizeibeamten zurückzuführen seien.

Damals sind auch Flaggen der USA verbrannt worden. Sehen Sie diesen Antiamerikanismus heute kritisch?

Einen Antiamerikanismus kann ich darin nicht erkennen. Die Aktionen richteten sich nicht gegen das amerikanische Volk, sondern zielten nur auf die vorherrschenden konservativsten Teile der Regierung und die Hochrüstung. Interview: Jan-Paul Koopmann

19.30 Uhr, Buchhandlung Leuwer, Am Wall 171