Auswärtsspiel für Rüttgers

Beim Städtetag in Dortmund muss sich der Ministerpräsident den Frust der NRW-Rathauschefs anhören: Parteiübergreifend kritisieren die Bürgermeister den schwarz-gelben Sparkurs

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Es dauerte ein wenig, bis Jürgen Rüttgers begriffen hatte, dass etwas schief gelaufen war. „Pfui“, „Oberlehrer“ – wie Fußballfans im Stadion reagierten die sonst eher zurückhaltenden Mitglieder des NRW-Städtetags bei ihrer gestrigen Jahresversammlung auf den Regierungschef. „Ich werde mich doch wohl noch verteidigen dürfen“, rief der irritierte CDU-Ministerpräsident in den Goldsaal der Dortmunder Westfalenhalle.

Verteidigen musste Rüttgers vor den Bürgermeistern der NRW-Großstädte gestern fast alle zentralen Reformvorhaben seiner Regierung. Vom Landeshaushalt über die Schulreform bis zur neuen Gemeindeordnung – die Landesregierung habe viele Fehler begangen, hatte der scheidende NRW-Städtetagsvorsitzende Gerhard Langemeyer (SPD) Rüttgers vorgeworfen. „Das Land will seine Haushaltsprobleme dadurch lösen, dass es die Lasten auf die Kommunen abwälzt“, sagte der Dortmunder Oberbürgermeister. So müssten die Kommunen etwa die Lücke füllen, die durch die im NRW-Etat beschlossenen Kürzungen bei den Kindergärten entstanden sei. Allein für die Stadt Dortmund bezifferte Langemeyer die Mehrbelastungen durch den Landeshaushalt auf 42 Millionen Euro. Auch die geplante Abschaffung der Schulbezirke kritisierte er. Düsseldorf solle es den Kommunen selbst überlassen, ob sie die Bezirke beibehalten oder nicht.

Rüttgers wies die Kritik zurück. „Diese Nummer geht nicht. Das ist Parteipolitik“, polterte der Ministerpräsident in einer entgegen der Tagesordnung vorgetragenen Replik. Langemeyers Vorwürfe seien „nicht akzeptabel“. Er werde ausrechnen lassen, wie viel die Forderungen der Kommunen dem Landeshaushalt kosten würden. „Das ist unseriöse Finanzpolitik.“

Bei den Kommunalpolitikern fand Rüttgers jedoch keinen Anklang – auch viele christdemokratische Bürgermeister stimmten Langemeyer zu. „Alle vorgetragenen Positionen beruhen auf einstimmigen Beschlüssen des Städtetags“, sagte etwa der Kölner CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma, der Langemeyer als Vorsitzender des Verbandes ablöst. „Rüttgers hat überreagiert.“ Und: „Als Ministerpräsident hätte er eigentlich wissen müssen, dass er hier nicht nur gestreichelt wird.“

Für Rüttgers war es der zweite unerfreuliche Auftritt binnen weniger Stunden. Am Vorabend hatten Ver.di-Aktivisten einen „Arbeitnehmerempfang“ der Landesregierung in Recklinghausen zum 1. Mai gestört. Rund 200 Gewerkschafter protestierten gegen die umstrittene 40-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst. Irgendwo wird in diesem Land derzeit immer demonstriert – meistens gegen die Politik der schwarz-gelben Landesregierung. Gestern waren nun die Rathauschefs der Großstädte dran. In Dortmund wirkte Rüttgers dabei wenig souverän und ziemlich überrascht – offenbar hat die Regierung den landesweiten Widerstand gegen ihre Reformpolitik unterschätzt.

In den Kommunen ist der Frust besonders groß, weil CDU und FDP den kleinsten Gebietskörperschaften nach dem Wahlsieg 2005 mehr Freiheit und finanzielle Stabilität versprochen hatten. „CDU und FDP sind sich einig, dass die Kommunen finanzielle Handlungsspielräume zurückgewinnen müssen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Angesichts der „desolaten finanziellen Situation“ der Städte sei die „Rückgewinnung der finanziellen Handlungsfähigkeit Voraussetzung für die Existenz kommunaler Selbstverwaltung“.

Für die NRW-Opposition stehen den Städten an Rhein und Ruhr statt dessen „schwarze Jahre“ unter Schwarz-Gelb bevor. 2006 und 2007 kämen auf die Kommunen „zusätzliche Belastungen“ zu, sagt der Grünen-Politiker Horst Becker. Die NRW-Haushaltskürzungen müssten oft von den Gemeinden aufgefangen werden – in dreistelliger Millionenhöhe. „Wenn Schwarz-Gelb jetzt auch noch wie angekündigt ab 2007 den kommunalen Anteil an der Grunderwerbssteuer streicht, wird es ganz düster“, so der Landtagsabgeordnete. So bereichere sich das Land mit 145 Millionen Euro, die eigentlich den Gemeinden zustünden.

Mehr Gesprächsbereitschaft fordern die NRW-Kommunen von der Rüttgers-Regierung. „Wir brauchen einen belastbaren Dialog, der nicht dann aufhört, wenn wir eine andere Meinung vertreten“, sagte Städtetags-Geschäftsführer Stephan Articus. Auf Fachebene müssten mehr Gespräche zwischen Kommunen und Ministerien geführt werden“, forderte auch Kölns OB Schramma: „Bisher ist das zu wenig geschehen.“