PASCAL BEUCKER ÜBER DEN FREIEN FALL DER CDU IN NORDRHEIN-WESTFALEN : Die Rache der Verlierer
Es erscheint fast wie ein Déjà-vu. Wie schon bei der Landtagswahl im Jahr 2000 scheint die Union gerade dabei zu sein, einen bereits sicher geglaubten Wahlerfolg in Nordrhein-Westfalen zu verspielen. Damals war es der Spendenskandal Helmut Kohls, der den ersten Anlauf von Jürgen Rüttgers auf den Ministerpräsidentensessel scheitern ließ. Diesmal sind es seine eigenen Affären, die Rüttgers das fünf Jahre später doch noch errungene Amt jetzt wieder kosten könnten.
Während sich Kohls einstiger Zukunftsminister als Inkarnation von Johannes Rau zelebrierte, kümmerte sich ein Kreis treu ergebener CDU-Youngster um die weniger strahlende Seite der Machteroberung und -sicherung. Ob Rüttgers als Landesvorsitzender en détail von den unsauberen Praktiken seiner Schmutztruppe gewusst hat, ist unerheblich. Das Entscheidende ist: Er ließ sie gewähren.
Ihr eigenes Fortkommen stets im Blick, agierten die skrupellosen Jungkarrieristen auch untereinander wenig zimperlich. So mancher blieb dabei auf der Strecke. Das rächt sich. Die Enthüllungen der letzten Wochen und Monate stammen allesamt aus parteiinternen Quellen. Es ist die Rache der Verlierer, die nun Rüttgers zum Verhängnis zu werden droht.
Inzwischen kann die CDU schon froh sein, wenn sie es überhaupt schafft, vor der SPD zu landen. Für die Sozialdemokraten, die noch im vergangenen Jahr bei der Kommunal- und bei der Bundestagswahl ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte des Landes einfuhren, ist die Union urplötzlich wieder in Reichweite. Wenn Rüttgers am kommenden Sonntag als Verlierer die Düsseldorfer Politarena verlassen sollte, hat er seine Niederlage jedoch nicht der politischen Konkurrenz, sondern einzig sich selbst und seiner Schmutztruppe zu verdanken. „Nur mit Ehrlichkeit gewinnt man das Vertrauen der Menschen“, heißt es in der CDU-Dokumentation ihres erfolgreichen Landtagswahlkampfs 2005. Genau das ist heute das Problem von Jürgen Rüttgers.
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