: Stadtstaaten brauchen mehr Geld
FINANZEN Juristisch ist gegen die Einwohnerwertung kein Kraut gewachsen, sagt die Bremer „Forschungsstelle Finanzpolitik“. Die reichen Geberländer aus dem Süden klagen mal wieder
Mit einer kleinen Expertise hat die „Forschungsstelle Finanzpolitik“ an der Universität Bremen unterstrichen, dass die Einwohnerwertung als eine Grundlage des Länderfinanzausgleiches politisch sinnvoll und rechtlich nicht angreifbar ist. Damit stärkt die Forschungsstelle die Rechtsposition des Bremer Senats, der sich einmal mehr gegen eine Verfassungsklage aus Bayern und Hessen zur Wehr setzen muss. Baden-Württemberg hatte sich früher solchen Klageverfahren immer angeschlossen, der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann verweigert sich derzeit der Südländer-Allianz. Eine Korrektur des Finanzausgleichs findet auch er notwendig, den Weg einer Klage aber wenig Erfolg versprechend.
Unter den 16 Bundesländern der bundesstaatlichen Gemeinschaft ist es wie unter 16 Brüdern: Sie finden die Verteilung von Aufgaben und Vergünstigungen ungerecht. Beim Streit um den Länderfinanzausgleich liegt das auf der Hand: Drei Bundesländer zahlen kräftig ein, das sind Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, 12 Bundesländer profitieren, darunter Bremen. Die gesetzlichen Regelungen dafür laufen im Jahre 2019 aus, demnächst soll es eine „Föderalismuskommission III“ geben, in der der Streit ausgetragen werden soll. Der Kompromiss im Grundzug: Die Hilfen für Berlin könnten stärker vom Bund übernommen werden, und die Probleme der sinkenden Bevölkerungszahl der ostdeutschen Länder könnten im Länderfinanzausgleich berücksichtigt werden.
Das Bundesverfassungsgericht, so argumentiert nun André Heinemann vom Bremer Forschungsinstitut Finanzpolitik, hat in seinen Urteilen von 1986, 1992 und 1999 grundsätzlich eine höhere Einwohnerwertung für die Stadtstaaten als mögliches Instrument anerkannt, um die „Andersartigkeit der Stadtstaaten“ bei der Finanzausstattung zu berücksichtigen. Verschiedene Gutachten haben zudem immer wieder bestätigt, dass ein bestimmter Korridor angemessen wäre, und die derzeitige Messzahl von 135 – so viele Einwohner Bremens werden beim Länderfinanzausgleich derzeit gewertet wie 100 Einwohner der Flächenländer – liegt etwa in der Mitte dieser Bandbreite. Es könnte also etwas weniger sein, aber auch etwas mehr. Wenn man 145 rechnen würde, so zeigt Heinemann, hätten die drei Stadtstaaten davon einen deutlichen Vorteil, Bremen zum Beispiel vom 178 Millionen Euro jährlich, alle 13 anderen Bundesländer müssten dafür zahlen. Das wäre politisch kaum durchzusetzen, folgert Heinemann. Das derzeitige Niveau der Einwohnerwertung verteidigt Heinemann vor allem mit dem Argument, dass die Stadtstaaten als Ballungsgebiete mehr „erwirtschaften“ als ihnen über die Steuerverteilung belassen wird.
Zwei gern vorgetragene Argumente, so erinnert Heinemann, laufen juristisch ins Leere: Das eine wäre, dass Stadtstaaten mehr Geld brauchen, weil „Konsumpendler“ die Dienstleistungen der Großstadt in Anspruch nehmen. Das andere, dass die Lohnsteuerzerlegung – Einkommenssteuern werden nicht am Arbeitsort, sondern am Wohnort entrichtet – ausgeglichen werden soll. Beides, so hat das Bundesverfassungsgericht 1992 geurteilt, wäre „nicht der Sinn der Einwohnerwertung“.
Vor Gericht, stimmt Heinemann der Einschätzung des Bremer Senats zu, werden sich die Kritiker der Einwohnerwertung nicht durchsetzen. Ob sie politische Mehrheiten finden, steht auf einem anderen Blatt. KAWE