Hamburger Szene
: Generation Ohrstöpsel

Ein Konzert-Abend im Grünspan, das Finale der Band Mogwai. Drinnen zittert die Halle in grellem Stroboskop-Weiß, dazu sägt ein mehrfach überlagertes Feedback aus den Lautsprechern. Laut, aber harmonisch – eine entfesselte Gitarre, bei der nichts dem Zufall überlassen wird. Ein Sound, der aus der Reihe tanzt und dabei die Kontrolle behält für ein Publikum, das mit Planung viel anfangen kann: Man ist im Schnitt 30 Jahre alt, jammert etwas über die verstellte Sicht, lobt die Anti-Performance der Band und trägt Ohrstöpsel. Ohrstöpsel aus Erfahrung, weil man das Klanggewitter von Mogwai beim letzten Konzertbesuch mit 25 zu laut fand und sowieso schon viel zu viele laute Konzerte in seinem Leben gehört hat. Ohrstöpsel aber auch aus ästhetischem Feinsinn, weil die Gesundheitsschiene noch nicht ganz selbstverständlich als Begründung reicht: „Man spürt die Musik trotzdem noch am ganzen Körper und hört gleichzeitig mehr Feinheiten“ ist dann so ein Satz, der Stöpsel adelt. Sexy werden die Ohrstöpsel davon nicht. Vielmehr bleiben es hastige, betont beiläufige Bewegungen, mit denen die Stöpsel beim Verlassen des Saals aus den Ohren gezogen werden. Dabei ist der Lärmschutz für alle eine gute Idee. Vor allem im Alltag könnte der kollektiv eingesetzte Ohrstöpsel zum Symbol einer neuen Avantgarde rebellischer Erwachsener werden. Und dass das Ganze perfekt wird: Rechtzeitig Ohropax-Aktien kaufen. Noch bevor der Mainstream mitstöpselt. Klaus Irler