: Bleibt alles anders
Alle ARD-Kulturmagazine heißen künftig „Titel, Thesen, Temperamente“ und werden von Caren Miosga moderiert. Die Eigenständigkeit der sechs Redaktionen bleibt unberührt (So., 23 Uhr, ARD)
VON PETER LULEY
Im ARD-Programm finden sich viele Sendungen, die dem öffentlich-rechtlichen Informations- und Bildungsauftrag nicht unbedingt gerecht werden. Und eine Ausnahme: die sonntägliche Kulturschiene um 23.00 Uhr: Egal ob sich bislang nach den „Tagesthemen“ der WDR-„Kulturweltspiegel“ meldete, der „Kulturreport“ aus München (BR), Leipzig (MDR), Berlin (RBB) und Hamburg (NDR) oder „Titel, Thesen, Temperamente“ vom HR – hier wurde kompetent und kreativ über eine breite Palette kultureller Themen berichtet. Unterhaltsam, ohne „PR zum Starttermin“-Attitüde und mit Blick für Nischen und kleine Perlen.
Doch nach Vorverlegung der „Tagesthemen“ und Verkürzung der Politmagazine ist nun auch dieser Sendeplatz vom Formatierungseifer des Programmdirektors Günter Struve betroffen: Von Sonntag an werden die Sendungen aller sechs produzierenden Anstalten unter „Titel, Thesen, Temperamente“ laufen und von ein und derselben Moderatorin präsentiert: der frisch aus ihrer Babypause zurückgekehrten Caren Miosga, 37, NDR-Zuschauern bekannt durch „Kulturjournal“ und „Zapp“.
„One place, one face“, umreißt NDR-Kulturchef Thomas Schreiber in schönstem Marketing-Sprech das Ergebnis umfangreicher Marktforschung: 82 Prozent der Befragten hätten sich für eine moderierte Sendung ausgesprochen – und eine deutliche Mehrheit für den verschrobenen Titel von 1967. Er sei der bekannteste und beliebteste bei den durchschnittlich rund eine Million Zuschauern und solle in der „immer verwirrenderen TV-Landschaft“ für „höhere Identifizierbarkeit“ sorgen.
„Tja, man verkauft für ne Alliteration ja gern mal seine Großmutter“, kommentiert Caren Miosga die Titelwahl süffisant. Ansonsten freut sie sich aber uneingeschränkt auf die neue Aufgabe, für die sie im Frühsommer vergangenen Jahres erst mal zum Casting antreten musste. Die Wahl sei dann einstimmig auf sie gefallen, erklärt NDR-Kulturchef Schreiber – wie überhaupt ausnahmsweise mal alle Involvierten mit den Neuerungen glücklich zu sein scheinen. Was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass das bisherige föderale System unverändert beibehalten wird: Die Eigenständigkeit der sechs Redaktionen bleibt unberührt, Miosga wird sogar am Wochenende zu der jeweils produzierenden Sendeanstalt reisen, um die Filmbeiträge zu sichten und ihre Moderationen zu texten.
Dass sie diese selbst schreibt und nicht nur abliest, ist der Slawistin und Historikerin wichtig – genauso wie der Umstand, dass sie die Themen vorher selbst recherchiert: „Ein Beitrag, der fünf, sechs Minuten lang ist, erzählt ja schon viel. Da müssen Sie sich als Einführungsmensch sowieso eine andere Idee suchen und womöglich von woanders herkommen.“ Ihr Lieblingsthema ist Film – „das findet aber auch sehr gut statt in den Magazinen, ich habe nicht den Eindruck, dass man das noch stärken müsste“.
Am Konzept will sie ohnehin nichts ändern: „Ich wurde schon von Journalisten gefragt, ob ich nicht einen Gesprächspart einbauen will, und natürlich ist es für den Moderator umso interessanter, je mehr Entfaltungsfläche er hat. Aber in diese Sendung würde es nicht passen“, glaubt sie. Wichtiger sei der Erhalt der „unterschiedlichen Farben“ und des „großen Themenspektrums“. Das Pensum der Auftaktsendung, die vom WDR aus Köln kommt, ist gewohnt ehrgeizig: Um die Caspar-David-Friedrich- Ausstellung im Essener Folkwang-Museum soll es gehen, um die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi und die Liebesgeschichte „Zwei Leben“ des indischen Autors Vikram Seth. Dazu ein Beitrag über das Oscar-gekrönte südafrikanische Gangsterdrama „Tsotsi“ und ein Stück zur aktuellen Kinderdebatte mit O-Tönen von Iris Radisch und Alice Schwarzer.
Auch wieder Beiträge selbst zu machen, würde Caren Miosga grundsätzlich reizen – gerade bei östlichen Kulturthemen würde sie „gern den Finger heben, aber momentan geht das zeitlich einfach nicht“. Lediglich mit einer Person möchte sie nicht mehr persönlich konfrontiert werden: mit dem französischen Skandalautor Michel Houellebecq. „Den hab ich dreimal getroffen, und das war so anstrengend, das reicht für dieses Leben.“