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Archiv-Artikel

Koschere Kalorien

ESSEN Joseph Martin ist mit seinen Zuckerkreationen eine kleine Institution in Berlin geworden

„Wo kommst du her? Das sind keine deutschen Kuchen!“

DIE REAKTION EINER KUNDIN, NACHDEM SIE MARTINS KUCHEN PROBIERT HAT

Joseph Martin rührt in einer Schüssel mit gehackten Äpfeln, Nüssen und Sahne und füllt sechs Tortenformen mit der Masse. „Donnerstags muss ich anfangen, für Sonntag vorzuproduzieren“, sagt der Konditormeister. Dann stehen sie vor seiner Tür Schlange, und eine Torte geht schon mal innerhalb einer halben Stunde weg.

Für viele Besucher des nahe gelegenen Maybachufer-Flohmarkts ist ein Abstecher auf ein Stück Kuchen zu Martin fester Programmpunkt. Manche Kunden kommen auch extra aus Spandau her. Und wehe, es gibt keine Katherinentorte mehr: Die Milchschokoladentorte ist – wie viele seiner Kuchen – eine israelische Spezialität.

Martin ist in Tel Aviv aufgewachsen, hat Hotelmanager und Konditor gelernt. Meisterkonditorkurse führten ihn durch gehobene Hotels in ganz Europa: Paris, Wien, München – nur nie nach Berlin. Die Familie seiner Frau aber stammte von hier, und ihr Vater hatte nach der Flucht nie aufgehört, von Berlin zu schwärmen. Nach seinem Tod besucht das Paar mehrmals die Stadt – und sie gefiel den beiden so gut, dass sie 2006 von Tel Aviv an die Spree zogen.

„Ich mag die Action hier“, sagt Martin, „auch wenn ich jetzt gar keine Zeit dafür habe.“ Oft steht er bis 1 Uhr nachts in der Backstube und formt aufwendige Zucker- und Marzipanverzierungen. „Das macht mich glücklich“, sagt er, „stundenlang probiere ich mit Geschmackskombinationen und Dekorationen herum.“ Auf seinem Smartphone scrollt er an Hunderten Tortenfotos herunter und zeigt stolz seine Werke. „Ich bin Künstler“, sagt er, „und ich liebe Süßes.“

Fünf Jahre lang buk er die Torten in der Kuchenmanufaktur, die unter dem Namen „Koriat“ bekannt wurde. Aviv Koriat war der Inhaber, Joseph Martin der Konditor. Sie kannten sich aus der Jüdischen Gemeinde und hatten den Laden gemeinsam eröffnet. Im April nun übernahm Martin das Geschäft, weil Koriat in Weimar eine neue Bäckerei eröffnete, und taufte es in „Martin’s Place“ um. Etwa 50 verschiedene Torten umfasst sein Sortiment, viele sind typisch israelisch.

Einiges macht er aber auch anders als sein Vorgänger. Koriat versorgte rund 20 Cafés mit Kuchen. Martin hat das wieder zurückgefahren, er backt nur noch für sechs. „Ich möchte gar nicht, dass mein Kuchen zur Marke wird, die es überall zu kaufen gibt“, erklärt er. Lieber stellt er sich mit besonders wilden Kreationen auf ausgesuchte Events: auf den Naschmarkt in der Markthalle Neun oder demnächst auf den Weihnachtsmarkt in der Kulturbrauerei.

Eine Kundin, die gerade ein Stück Sesamtorte gekauft hat, erzählt, wie ihr Martins Kuchen auf dem Naschmarkt auffielen: „Ich musste gleich fragen: Wo kommst du her? Das sind keine deutschen Kuchen!“ Seitdem sei sie süchtig und müsse immer wiederkommen.

Was hat er für Zukunftspläne? Will Martin den Laden vergrößern? Tatsächlich sucht er nach passenderen Räumen, schränkt aber gleich ein: „Ich will keine Fabrik werden.“

■ Martin’s Place, Pannierstr. 29, Neukölln. www.martinsplace.de