: Sozial und liberal ohne SPD
Die FDP arbeitet auf ihrem Wuppertaler Landesparteitag an einem sozialen Image. Für den Bundesvorsitzenden Westerwelle aber bleiben die „Steuererhöher“ von CDU und SPD „Gegner“
AUS WUPPERTALANDREAS WYPUTTA
Erst Guido Westerwelle sorgt für Stimmung. Erst als der Bundesvorsitzende der Liberalen über die „Staatsbürokraten“ der großen Koalition aus CDU und SPD im fernen Berlin schimpft, werden die Delegierten des FDP-Landesparteitags in der gediegenen historischen Wuppertaler Stadthalle munter. „Die Steuererhöher, die Abkassierer“, legt Westerwelle nach, „das sind unsere Gegner.“ Die liberale Basis klatscht begeistert Beifall.
Zuvor aber herrscht bürgerliche Zurückhaltung. Andreas Pinkwart, FDP-Landesvorsitzender und NRW-Forschungsminister, erhält für seine gut 35-minütige Grundsatzrede nur verhaltenen Applaus. Immer eng an sein Redemanuskript angelehnt, referiert der 46-Jährige über die Politik der seit knapp einem Jahr in Düsseldorf regierenden Koalition aus CDU und FDP. Und so klingt Pinkwarts Rede in großen Teilen wie eine Zusammenfassung des schwarz-gelben Koalitionsvertrages. Die als „Hochschulfreiheitsgesetz“ verbrämte Einführung von Studiengebühren vergisst der beurlaubte Professor für Betriebswirtschaft der Universität Siegen nicht. In Koalitionskreisen mittlerweile üblich ist auch Pinkwarts Klage über Windkraftanlagen, „die unsere Landschaft verschandeln“, eher FDP-spezifisch seine Freude über „länger offene Biergärten“.
Pinkwart lobt das „gute und partnerschaftliche Koalitionsklima“ als „Verdienst von Jürgen Rüttgers“. Doch seine Versuche, seine Partei in Anlehnung an den CDU-Ministerpräsidenten als sozial zu beschreiben, die Bildungspolitik als soziale Frage zu definieren, stoßen auf wenig Interesse im Saal. Lebhaft werden die Delegierten erst, als Pinkwart die vom designierten SPD-Chef Kurt Beck ins Gespräch gebrachten Steuererhöhungen als „Marsch in den Sozialismus“ geißelt.
Dabei soll genau diese Verbindung aus Neo- und Sozialliberalem die FDP für mehr Menschen wählbar machen. „Bildungspolitik ist soziale Vorsorge“, sagt auch der 27-jährige Landesgeneralsekretär Christian Lindner zur taz. „Beide Parteiflügel, der neoliberal genannte wie der sozialliberale, sind intakt.“
Denn zu offen vorgetragene Marktradikalität, kombiniert mit Pinkwarts koalitionärem Kuschelkurs, könnte der FDP schaden, weiß auch Landtagsfraktionschef Gerhard Papke. Ausdrücklich lobt er Generalsekretär Lindner, der sich kurz zuvor mit Nachbesserungen zum Landeshaushalt auch auf Kosten der CDU profiliert hatte. „Da kann‘s auch etwas lebhafter zugehen“, meint Papke mit Blick auf zähe Verhandlungen mit den Christdemokraten: 20 Millionen mehr für den zuvor eingedampften Kinder- und Jugendbereich haben die Liberalen herausgehandelt – bei einem Gesamthaushaltsvolumen von 48 Milliarden Euro. „Konsequente Politik der sozialen Marktwirtschaft und soziale Anliegen schließen sich nicht aus.“ Auch der Fraktionschef hat die Botschaft, die von diesem Landesparteitag ausgehen soll, verstanden.
Zwischen Message und Inhalt zu unterscheiden, wissen auch die Delegierten. Sie bestätigen den „Herrn Landesvorsitzenden“ Pinkwart mit eindrucksvollen 91,5 Prozent im Amt, Generalsekretär Lindner erhält 88,7 Prozent. Schatzmeister Paul Friedhoff, der noch immer mit den Folgen der Finanzskandale von Ex-Parteichef Möllemann kämpft, kommt auf 90,1 Prozent. Dabei waren noch im vergangenen Jahr 420.000 Euro Einnahmen aus dubiosen Quellen aufgetaucht. Aus Angst vor Strafen musste Friedhoffs offiziell klammer Landesverband deshalb Rückstellungen bilden – in Höhe von satten 1,95 Millionen Euro.