Rückkehr zum Teamgeist

Mit der Wahl des Plakatkünstlers Klaus Staeck zum neuen Präsidenten hat sich die Akademie der Künste für mehr Einmischung in öffentliche Debatten entschieden. Seine Stellvertreterin Nele Hertling gilt als Pragmatikerin in kulturpolitischen Belangen

von DIRK KNIPPHALS

Der Berliner Akademie der Künste eilt ja gelegentlich ein Ruf der Verschnarchtheit voraus. Eins muss man ihr aber lassen: Bei ihrer diesjährigen Frühjahrstagung, die am vergangenen Wochenende stattfand, ist es ziemlich turbulent zugegangen.

So war Klaus Staeck – Plakatkünstler, politisch engagierter Intellektueller und Wahlkämpfer für die SPD – noch Samstag früh überzeugt, dass „ich nicht kandidiere“. Bislang hatte er seine Kandidatur stets abgelehnt, seiner vielen beruflichen Belastungen wegen. Doch dann habe es, so Staeck am Sonntag vor der Presse weiter, auf der Tagung „einen gewissen Druck gegeben“ – mit dem Ergebnis, dass er eben doch kandidierte, flugs gewählt wurde und sich selbst im Amt des Akademiepräsidenten wiederfand.

Beim sonntäglichen Pressetermin gab Staeck sich dann bereits präsidialer. Mit jeder Stunde freue er sich mehr über sein Amt, nun müssten andere Verpflichtungen eben zurücktreten. Zusammen mit dem 68-jährigen Staeck wurde die 72-jährige einflussreiche Strippenzieherin des Tanztheaters, Nele Hertling, als Vizepräsidentin gewählt. Der schnell sprechende neue Präsident und die eher bedächtig agierende Vizepräsidentin ergänzten sich schon mal sehr gut; manche Beobachter sprechen bereits, wenn auch vorsichtig, von einer „Aufbruchstimmung“. Immerhin garantiert Staeck allein schon aufgrund seines hohen Bekanntheitsgrades eine gute Publicity. Und die Erleichterung darüber, dass die Ära des Schweizer Akademiepräsidenten Adolf Muschg, wenn auch etwas holterdiepolter, nun endgültig zu Ende ging, war im Umfeld der Akademie deutlich spürbar.

Der Schriftsteller Muschg, Mai 2003 in dieses Amt gewählt, war im Dezember vergangenen Jahres nach internen Auseinandersetzungen über den Kurs der Akademie und die Zuständigkeiten des Präsidenten überraschend zurückgetreten. Zugleich hatte er der Mitgliedervertretung öffentlich mangelnde Bereitschaft vorgeworfen, sich in die intellektuellen Debatten des Landes einzumischen. Vor allem diese Erklärung hatte nun auch die Akademie stark unter Handlungsdruck gesetzt, war sie doch Wasser auf die Mühlen derjenigen deutschen Kulturpolitiker, die sich sowieso fragen, warum sie eine Institution mit 18 Millionen Euro jährlich unterstützen sollen, die für ihren Geschmack zu wenig in Erscheinung tritt.

Staeck und Hertling ließen kein böses Wort über ihren Vorgänger hören. Aber aus der Art und Weise, wie sie ihre eigenen Arbeitsansätze beschreiben, lässt sich ableiten, was sie zuletzt an der Arbeit der Akademie vermissten. Vor allem betonten beide Zauberwörter wie „Zusammenarbeit“ und „Kooperation“; ausdrücklich erwähnten sie auch, dass man sich untereinander und mit den anderen Führungsebenen des Hauses als „Team“ verstehe – ein nachträglicher Kommentar zu Muschgs einzelgängerischen Führungsstil. Wenn Staeck und Hertling zudem unisono betonen, dass sie nun das Präsidentenamt etwas tiefer hängen wollen, lässt sich erahnen, dass Muschg die auratische Kraft dieses Amtes oder vielleicht auch nur von sich selbst als Person überschätzt hat.

Die Kernfrage aber wird sein, wie das neue Präsidententeam mit der Anforderung umgeht, die Akademie möge vermehrt Flagge in gesellschaftlichen Debatten zeigen. Staeck sagt, er verstehe sich sowieso als „vehementer Kämpfer für den öffentlichen Raum“ – was tatsächlich dem Bild entspricht, das man von diesem Künstler hat. Durch zu wenig öffentliche Stellungnahmen ist er bislang jedenfalls nicht aufgefallen. Nichts spricht dafür, dass sich dies ausgerechnet jetzt, wo er Akademiepräsident geworden ist, ändern wird.