: Neue Handelsallianz in Südamerika
Venezuela, Kuba und Bolivien verzichten künftig auf gegenseitige Zölle. Das Linksbündnis versteht sich als Gegenmodell zu US-Plänen für ein Freihandelsabkommen mit Lateinamerika. Das liegt weiterhin auf Eis
PORTO ALEGRE taz ■ Venezuela, Bolivien und Kuba haben am Samstag eine neue Handelsallianz geschlossen. In Havanna unterzeichnete Boliviens Präsident Evo Morales, Kubas Staatschef Fidel Castro und Venezuelas Präsident Hugo Chávez den „Handelsvertrag der Völker“, demzufolge die Zölle im Warenverkehr der drei Länder abgeschafft werden und Venezuela an Kuba und Bolivien Rohstoffe zu Vorzugskonditionen liefert.
„Das Imperium hat erneut eine Niederlage erlitten“, jubelte Kubas Zentralorgan Granma. Gescheitert sei der Versuch der USA, Kuba, Venezuela und Bolivien, ihr „Herrschaftsmodell“ aufzuzwängen. „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“, sagte Castro vor 25.000 Menschen auf dem Revolutionsplatz. Chávez freute sich, dass die „Bolivarianische Alternative für Amerika“ (Alba), die er 2001 als Gegenprojekt zur „Gesamtamerikanischen Freihandelszone“ (Alca) lanciert hatte, Gestalt annimmt. „Es ist ein Schritt mehr beim Bestreben, das neoliberale System zu verändern, das auf unserem Kontinent vorherrscht“, sagte Morales.
Venezuela wird künftig auch Bolivien mit Erdöl, Diesel und Asphalt zu Vorzugskonditionen beliefern. Zudem stellte Chávez 100 Millionen Dollar für Maßnahmen zur Stärkung der bolivianischen Wirtschaft und 30 Millionen für Sozialprojekte bereit. Kuba will sich noch stärker im Gesundheits- und Bildungsbereich engagieren. Bereits jetzt sind 600 kubanische Ärzte in Bolivien tätig, und in zweieinhalb Jahren soll es dort wie schon in Venezuela keine Analphabeten mehr geben. Im Gegenzug liefert Bolivien Agrarprodukte und mineralische Rohstoffe. Je 5.000 bolivianische StipendiatInnen gehen nach Kuba und Venezuela. Kuba erhält schon länger täglich 90.000 Fass venezolanisches Erdöl zu Niedrigpreisen, in Venezuela arbeiten 23.000 kubanische Ärzte.
Noch bedeutender als die wirtschaftliche und soziale Seite der Abkommen ist das politische Signal, das von Havanna ausgeht. „Bis zu diesem Jahr schienen Castro und Chávez dazu verdammt, ein Zwei-Männer-Club zu bleiben“, analysiert Daniel Erikson vom Forschungszentrum Inter-American Dialogue aus Washington. „Mit dem Hinzukommen von Morales verschiebt sich diese Gleichung dramatisch“. Das Freihandelsabkommen Alca liegt wegen der Opposition Venezuelas, Argentiniens und Brasiliens auf Eis, und die bilateralen Freihandelsverträge zwischen den USA und Kolumbien, Peru und Ecuador, die in der Andenregion zu heftigem Streit geführt haben, sind auch noch nicht unter Dach und Fach. Zudem könnte sich durch die kommenden Wahlen in Peru, Mexiko, Ecuador und Nicaragua das politische Spektrum in Lateinamerika noch weiter nach links verschieben.
Der Wahlkampf in Peru sorgte aber bereits für diplomatischen Wirbel. Am Wochenende zog Peru zum zweiten Mal in diesem Jahr seinen Botschafter aus Venezuela wegen „anhaltender und schamloser Einmischung in die inneren Angelegenheiten Perus“ ab. Hugo Chávez hatte zuvor mit dem Abbruch der Beziehungen zu Peru gedroht, sollte der peruanische Expräsident Alan García dieses Amt erneut erringen.
GERHARD DILGER