Auf „Gnadenlos“ folgt „Guillotine“

Hamburgs Exjustizsenator Roger Kusch will die Lücke schließen, die Ronald Schill alias „Richter Gnadenlos“ hinterlassen hat. Ob seine neue Partei „Heimat Hamburg“ Chancen hat, dürfte vom Geld und dem Wohlwollen der Springer-Presse abhängen

AUS HAMBURG MARCO CARINI

Sie waren einst enge Freunde, dann politische Weggefährten, jetzt sind sie Konkurrenten: Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und sein ehemaliger Justizsenator Roger Kusch. Am Montag präsentierte Kusch im feinen Renaissance-Hotel seine neue Partei, mit der er 2008 zum Sprung in die Hamburgische Bürgerschaft ansetzen will. „Heimat Hamburg“, sagte der 51-jährige Jurist, solle die Stadt wieder auf „den rechten Weg führen“. Denn es gelte eine „Marktlücke zu schließen“, die Ronald Schill hinterlassen hat.

Damit setzt Kusch zum politischen Alleingang an – gut einen Monat nachdem Regierungschef von Beust ihn aus dem Senat gefeuert und er die CDU nach 34 Jahren Mitgliedschaft verlassen hat. 2001 hatte von Beust seinen langjährigen Bekannten als „Sicherheitsberater“ in sein Wahlkampfteam geholt – als Unions-Antwort auf den Rechtspopulisten Ronald Schill.

Nach seinem Wahlsieg machte von Beust Kusch zum Justizsenator und hielt ihn trotz vieler Querelen und Skandale fast fünf Jahre im Amt. Doch die so genannte Protokollaffäre um illegal weitergeleitete Akten aus einem Untersuchungsausschuss machte das Maß voll, Kusch flog.

Mit Schill verbindet Kusch, dass er ebenfalls als narzisstischer, nicht teamfähiger Einzelkämpfer gilt. Er trägt den Spitznamen „die lächelnde Guillotine“. Inzwischen wirft er der Bundes-CDU und Angela Merkel vor „Deutschland spürbar in eine sozialistische Gesellschaft“ zu verwandeln.

Ein Partei-Programm hat der stets wie aus dem Ei gepellt angezogene Jurist, der vor seinem Umzug nach Hamburg als Oberstaatsanwalt am Bundesgerichtshof wirkte, nicht zu bieten. Stattdessen setzt er auf seine fünf Lieblingsforderungen, mit denen er in der Hamburger CDU scheiterte. So tritt „Heimat Hamburg“ für die Abschaffung des Jugendstrafrechts und den „kompromisslosen Kampf gegen Drogen“ ein. Dazu gehört die Schließung aller „Fixerstuben“, in denen sich Abhängige unter kontrollierten hygienischen Bedingungen ihr Suchtmittel zuführen können.

Das bundesweite Antidiskriminierungsgesetz und der in Hamburg nach mehreren Kampfhund-Attacken eingeführte Leinenzwang für kläffende Vierbeiner gehören für Kusch abgeschafft. Sein Lieblingsthema aber bleibt die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe, für die er bereits einen Gesetzentwurf erarbeitete, den Hamburgs CDU aber wieder einkassierte.

Kuschs Partei kann zurzeit gerade zehn aktive Mitstreiter aus dem Bekanntenkreis ihres Gründers aufbieten. Zudem fehlt ihr das Geld für einen Wahlkampf. Hier setzt Kusch auf private Sponsoren aus der Hamburger Wirtschaft. Wichtigste Erfolgsgarantin aber, das weiß der Exsenator, ist die Unterstützung der Hamburger Medien für seine Partei. Auch Ronald Schill hatte 2001 sein sensationelles Bürgerschaftswahl-Ergebnis von 19,4 Prozent vor allem einer Kampagne des den Hamburger Zeitungsmarkt dominierenden Springer-Verlags (Bild, Hamburger Abendblatt) zu verdanken: So wurde „Richter Gnadenlos“ erst an den Stammtischen, dann im Landesparlament etabliert.

Auch für den Hamburger Politikwissenschaftler Michael Greven hängt Wohl und Wehe der neuen Gruppierung davon ab, „ob es Kusch gelingt, genügend Medienpräsenz auf seine Partei zu vereinen“. Nur dann gäbe es in Hamburg „genügend rechtes Protestpotenzial“, das Kusch hinter sich bringen könnte. „Dilettantisch“ wirke es allerdings, sagte Greven, dass Kusch in seinem Forderungsquintett vor allem „bundespolitische Fragen“ aufwerfe, „über die die Hamburgische Bürgerschaft letztendlich nicht entscheiden“ könne.