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Archiv-Artikel

Schwereloser Sommer

GIRL MEETS BOY Andeutungen. Und der Reichtum, der in zwei jungen Erwachsenen steckt: Bradley Rust Greys Film „The Exploding Girl“ erzählt eine bekannte Geschichte so, als erlebte man sie zum ersten Mal

Zigaretten und Bier sind untersagt, aber wie soll das gehen, wenn man unter Liebeskummer leidet?

Die Studentin Ivy (Zoe Kazan) verbringt den Sommer bei ihrer Mutter. Mit dem Auto, das sie nach Hause bringt, ist auch Al (Mark Rendall), ein Schulfreund aus Kindertagen, heute ebenfalls Student, in seine alte Heimatstadt zurückgekommen. Weil er das Zimmer im Haus seiner Eltern an einen Untermieter verloren hat, kommt er über die Semesterferien bei Ivy und ihrer Mutter unter. Zusammen ausgehen, rumhängen, durch den Park spazieren, Karten spielen, das sind die Beschäftigungen, mit denen die beiden ihre Zeit verbringen. Wir sehen ein Verhältnis zwischen zweien, die in ihrer Jugend einmal miteinander vertraut waren und jetzt, am Beginn ihres Erwachsenenlebens, nicht mehr so genau wissen, wie sie dieses Vertrautsein zueinanderstellt, also betreiben sie den Umgang miteinander mit einer behutsamen Vorsicht.

Der Film webt mit lockerem Faden eine Szene an die nächste, und wie das alles eine Erzählung und ein Drama ergibt, kann man zunächst nur erahnen. Unaufdringlich fängt die Kamera Eindrücke, Blicke, Bewegungen von Figuren ein, die ganz bei sich sein dürfen, oft ist es nur ein Blick oder eine Geste, die eine Szene ausmachen. Viel geredet wird nicht. Die Lieblingsworte der Protagonisten sind „Yes, I guess“ oder „Yeah, okay“. „The Exploding Girl“ von Regisseur Bradley Rust Gray ist als Film eine Etüde der Auslassung und der Andeutung, und über den Reichtum, der in beidem steckt.

Ivy ist mit Greg zusammen, zumindest glaubt sie das. Der ist nur durchs Telefon präsent und irgendwann nicht einmal mehr das. Als die Trennung ausgesprochen wird, erzählt Ivy niemandem davon. Als Epileptikerin hat sie sich angewöhnt, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, um Irritationen und Stress zu vermeiden. Beim Ausgehen ist sie oft die Erste, die nach Hause muss. Sie darf allein kein Bad nehmen. Zigaretten und Bier sind ihr untersagt. Aber wie soll das gehen, wenn man jung ist und vielleicht unter Liebeskummer leidet? Man erfährt nie so genau, ob für Ivy die Trennung schlimmer ist oder die Kränkung, fallen gelassen worden zu sein. Zoe Kazan (der Name stammt von ihrem berühmten Großvater Elia) spielt Ivy mit Zurückhaltung, Verletzbarkeit, aber auch einer inneren Stärke, die gelernt hat, sich Enttäuschungen nicht anmerken zu lassen. Der Gedanke, dass Al mehr als nur ein guter Freund sein wollte und könnte, geht ihr nur allmählich auf.

„The Exploding Girl“ gelingt das gar nicht so kleine Wunder, die bekannte Geschichte girl meets boy so zu erzählen, als würde man sie zum ersten Mal erleben. Ein schwereloser Film.

DIETMAR KAMMERER

„The Exploding Girl“. R.: Bradley Rust Gray. Mit Zoe Kazan, Mark Rendall u. a. USA 2009, 79 Min.