: „Das Militär ist interessiert“
VORTRAG Niels Birbaumer erklärt, wie man mit Gedanken Maschinen steuert – und umgekehrt
■ 68, lehrt als Psychologe und Neurobiologe an der Universität Tübingen. Der Träger der Helmholtz-Medaille und des Leibniz-Preises war in seiner Jugend als Autoknacker tätig.
taz: Herr Birbaumer, Ihr Vortrag hat den Titel „Mit Gedankenkraft die Welt bewegen“. Das ist eine Fähigkeit, über die das Personal der Harry Potter-Romane auch verfügt.
Niels Birbaumer: Der Unterschied zu Zauberei besteht darin, dass wir die Interface-Technik benötigen, um Gehirnströme zu erfassen. Außerdem einen Verstärker und einen Computer voller Mathematik. Das Prinzip ist aber dasselbe – auch wenn der Vortragstitel vielleicht etwas hoch gegriffen wirkt.
Sie arbeiten daran, durch Hirnaktivitäten Prothesen zu steuern. Was ist da schon möglich?
Vollständig gelähmte Menschen können Ja/Nein-Antworten übermitteln und beispielsweise eine Armbewegung auslösen.
Wenn es möglich ist, durch Hirnaktivitäten Computer zu steuern – wie steht es dann mit der Beeinflussbarkeit in der umgekehrten Richtung?
Wenn man den einen Weg kennt, kann man auch den anderen finden. Um einen Menschen steuerbar zu machen, müsste man allerdings Elektroden direkt in sein Hirn einsetzen. Bisher ist nur möglich, dessen oberste Schichten elektrisch zu stimulieren. Die Schädeldecke und der verschachtelte Hirnaufbau bilden sehr große Widerstände.
Wäre es wünschenswert, die zu überwinden?
Aus klinischer Sicht schon – wir könnten dann Menschen mit schweren neurologischen Krankheiten helfen. Andererseits ist das Militär an solchen Techniken höchst interessiert, es hat die Interface-Forschung lange finanziert. Wir haben aber nie Geld vom Militär angenommen.
Finden Sie die potenziellen Anwendungen Ihrer Forschung selbst ambivalent?
Derzeit ist unsere Technik noch viel zu grob, um militärisch relevant zu sein. Und wenn ich die Wahl habe, einem Patienten zu helfen, indem ich aus seinem Gehirn nicht nur einfache Ja/Nein-Antworten herauslese, sondern einen ganzen Satz, würde ich das tun. Die chemische Manipulation des Hirns durch Psychopharmaka halte ich für wesentlich gefährlicher. Interview: HB
19 Uhr, Haus der Wissenschaft