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Archiv-Artikel

Zinefest Berlin

Am Wochenende trifft sich die Zine-Szene – rund 50 Projekte stellen ihre selbst publizierten Dinge vor, Magazine, Comics, Collagen und Flaschenpost

Zinefest

Rund 50 Projekte stellen ihre Zines vor. Dazu gibt es mehrere Workhops und Diskussionsrunden.

Wann & wo?

Samstag und Sonntag, 26. und 27. Oktober, jeweils von 12 bis 19 Uhr in den Räumen der Schule für Erwachsenenbildung im Mehringhof, im 2. Hinterhof, Gneisenaustraße 2a

Wenn Halley Murray über Fanzines spricht, fängt sie schnell an zu schwärmen. „Fanzines sind meine Leidenschaft“, sagt die Zine-Macherin aus Berlin. Und das aus unterschiedlichen Gründen: Als Leserin schätzt sie an den selbst gemachten Magazinen, dass man durch sie viel Neues lernen kann. Themen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie, Alkoholismus, Queer und Transgender würden dort auf direkte und persönliche Weise reflektiert. Die verschiedenen Geschichten seien dabei mehr als private Erzählungen, da sie zugleich einen Einblick in gesellschaftliche Verhältnisse bieten würden. Als Macherin wiederum liebt sie es, zu schreiben, ihre Ideen mit anderen zu teilen und die eigenen Zines zu tauschen. „Zines sind mein Ventil“, sagt Halley Murray.

Aus ihrer Liebe zu Fanzines hat sie gemeinsam mit anderen Zine-Fans vor zwei Jahren das Zinefest Berlin ins Leben gerufen. Die Idee des Fests ist es, Zine-MacherInnen, unabhängigen Verlagen und LiebhaberInnen einen Treffpunkt in Berlin zu bieten. Eine derartige Plattform fehlte bis dahin in der Stadt. Am kommenden Wochenende findet von Samstag bis Sonntag die dritte Ausgabe des Zine-Treffs statt. Ort des Geschehens ist die Schule für Erwachsenenbildung in Kreuzberg. Neben vier Räumen mit Projekt-Tischen, an denen Zine-MacherInnen, HändlerInnen und SammlerInnen ihre Zines oder Comics verkaufen und tauschen können, wird es ein Workshop-Programm, eine Vokü, eine Bar, eine Zine-Bibliothek, einen Bastelraum und eine Afterparty geben. Knapp fünfzig Projekte aus verschiedenen Ländern haben ihre Teilnahme zugesagt. Nach den ersten beiden Jahren ziehen die OrganisatorInnen ein positives Fazit: „Berlin verfügt über eine lebendige Zine-Szene. Es reisen sogar Leute mit dem Flugzeug an“, sagt Mitgründerin Caro Wedekind.

Als Fanzines verstehen die Zinefest-OrganisatorInnen „selbst publizierte Dinge“. Darunter können fotokopierte DIN-A5-Hefte mit Texten, Illustrationen, Fotos und Comics genauso fallen wie Schnapsflaschen mit kleinen Botschaften darin. Eine feste Form gibt es ebenso wenig wie eine thematische Festlegung – anything goes! Was aber alle Fanzines gemeinsam haben, ist, dass sie selbst gemacht sind und dass keine größere Organisation im Hintergrund steht. Auch haben Zines in der Regel eine geringe Auflage – zweihundert Kopien sind schon viel – wodurch jedes Heft zu einem einem einzigartigen Sammlerstück wird und man Glück haben muss, eine Kopie zu ergattern. Das Spannendste an Zines ist jedoch, dass sie im Vergleich zu professionellen Magazinen leicht zu erstellen sind. Man benötigt lediglich Schere, Kleber, Fotokopierer und Tacker. „Fanzines sind genau das Richtige für Leute, die Lust haben, Dinge selber machen“, sagt Wedekind, die bereits fünf Zines herausgebracht hat. Entsprechend findet das Medium vor allem in DIY-Kreisen (DIY = Do it yourself) Verbreitung.

Ein weiteres wichtiges Merkmal von Zines ist für Murray und Wedekind, dass sie politisch sind. Caro sieht Fanzines als angewandte Kapitalismuskritik. Indem bei Fanzines nicht die Verwertung im Vordergrund stehe, sondern der eigentliche Text und die Rezeption, werde mit der kommerziellen Verlagswelt gebrochen. Für Halley Murray sind Zines eine echte Alternative zu Mainstream-Medien, da dort alternative und radikale Perspektiven artikuliert werden. Sie nennt in dem Zusammenhang ein Zine namens „Burning Women: The European Witch Hunts, enclosure and the rise of capitalism“, in dem die Hexenverfolgung in Europa aus feministischer Perspektive durchleuchtet wird. „Wir hatten das Thema in der Schule behandelt, aber nicht auf diese Weise“, sagt Halley Murray. Sie selbst setzt sich in ihren Zines mit Grenzen, dem weiblichen Orgasmus und Depressionen auseinander.

Wer sich ein eigenes Bild vom Zine-Universum machen möchte oder einen Einstieg sucht, der kann ab Samstag in den Mehringhof kommen. Zine-MacherInnen, die sich nicht angemeldet haben, aber trotzdem ausstellen möchten, können einfach vorbeischauen und ihre Publikationen auf dem „Open Table“ auslegen und verkaufen. Halley Murray und Caro Wedekind sind gespannt auf neue Projekte und neue Gesichter. „Zines sind nicht nur bloße Objekte, sie werden von Menschen gemacht. Man kann sie treffen, ihnen schreiben, mit ihnen zusammenarbeiten oder ein Teil ihrer Welt werden“, sagt Murray.

LUKAS DUBRO