: Universität in Versen
KULTUR Bei Science Slams bieten Wissenschaftler ihre Arbeiten in Reimen oder auch als Filmadaption dar
„Nichts verstanden?“, fragt Karsten ins Publikum. Verlegendes Schweigen. „Macht nichts, ich auch nicht.“ Karsten stellt gerade seine Theorie zur Preisentwicklung von Agrarflächen im Umland von urbanen Ballungszentren vor und scheint zeitweilig selbst nicht so richtig zu wissen, wovon er da gerade eigentlich spricht – aber das ist auch egal.
Denn beim 5. Science Slam in Hamburg geht es gar nicht um die hohe Wissenschaft, sondern viel eher darum, wie sie präsentiert wird. Karsten hat die lyrische Form gewählt: Seine Thesen über die optimale Nutzung der suburbanen Agrarflächen kommen als Verse daher und seine Forschungsergebnisse werden im Stakkato vorgetragen.
Ähnlich wie bei den Poetry Slams treten bei den Science Slams verschiedene Teilnehmer auf der Bühne gegeneinander an, um die Gunst des Publikums auf sich zu ziehen – nur eben nicht mit Gedichten, sondern mit Inhalten wissenschaftlicher Forschungsarbeiten. Kein Themengebiet gilt dabei als zu abwegig, keine These als unvermittelbar, im Gegenteil: Je abstrakter, desto besser.
„Ich freue mich über jeden hier, der über 30 ist“, leitet Steffen seinen Vortrag ein, „denn der weiß vielleicht noch, was Starwars war.“ Jetzt kommt richtig Stimmung in dem völlig überfüllten Raum auf, der über einer Bar im Schanzenviertel liegt. Steffen ist Betriebswirtschaftler und forscht zur Organisationsstrukturen strategischer Allianzen von Unternehmen bei Opensource-Development-Verfahren. Um sein Thema anschaulich zu machen, lässt er Steven Jobs zum Imperator des Todessterns werden und die Gruppe um Luc Skywalker zum Entwicklerkonsortium des Android-Betriebssystems.
Der Vergleich hinkt vielleicht ein wenig, doch das ist Steffen egal. „Wichtig war mir vor allem, dass das Publikum meine Thesen versteht“, sagt er später.
Gar nicht verstanden wird hingegen Guido. Er versucht dem Publikum zu erklären, warum die weit verbreitete Annahme, dass die meisten Philosophen als Taxifahrer enden, statistisch fehlerhaft ist. Aber Guido verirrt sich beim Vortragen in Rechnungen und philosophischen Ausschweifungen – irgendwann verliert er sogar den Faden. Nicht verstandene Witze tun das Ihrige.
Bei der Siegerehrung fragt ihn Karsten, der nach Steffen den zweiten Platz belegt hat, ob er nicht doch lieber Taxifahrer werden wolle. Guido ist sichtlich enttäuscht. Nächste Woche hat er seine Disputation. Bis dahin müsse noch viel passieren, sagt er. JOHANN TISCHEWSKI