: Wie war das noch?
KUNSTGESCHICHTE Mit Blick auf die eigene Geschichte reflektiert eine Tagung an der Universität der Künste die Kunstentwicklung in Nazideutschland – zu forschen gibt es dabei durchaus noch genug
■ „Künstler im Nationalsozialismus“ ist der Titel einer Tagung nächste Woche an der Universität der Künste (UdK). Neben Referaten etwa zu Arno Breker und Albert Speer wird auch die Rolle der UdK für die Entwicklung der Kunst in Deutschland zwischen 1933 und 1945 untersucht. Vom 1. bis 3. November im Hauptgebäude der UdK, Hardenbergstraße 33. Eintritt frei. Programm unter www-udk-berlin.de.
VON SABINE WEIER
Die steinernen Körper sind jung und glatt poliert, die Muskeln vollendet, die Posen heroisch. Weil sich in Arno Brekers neoklassizistischen Plastiken Adolf Hitlers Ideal der arischen Rasse manifestiert, wird er zum Hofkünstler des Führers. Er meißelt Hitler-Büsten und macht sich mit dem Architekten Albert Speer daran, die Monumentalästhetik für die Umgestaltung Berlins zur „Welthauptstadt Germania“ zu entwerfen. Währenddessen organisiert die Reichskammer der Bildenden Künste, zu deren Vizepräsident Breker avanciert, die Arisierung der Kunstproduktion. 1937 wird er an die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin berufen. An der Vorgängerinstitution der Universität der Künste (UdK) wird er bis 1945 lehren. Der Nachwuchs soll ganz im Sinne einer nationalsozialistischen Kunstvorstellung erzogen werden.
Eine Tagung an der UdK setzt sich jetzt mit Künstlern im Nationalsozialismus auseinander und fragt auch nach der Geschichte der Vereinigten Staatsschulen. Wolfgang Ruppert hat die Tagung konzipiert. Er leitet eine Arbeitsstelle für kulturgeschichtliche Studien an der UdK, forscht und publiziert seit Längerem zur historischen Entwicklung von Kunsthochschulen. Das Interesse vieler Kollegen an der Geschichte der eigenen Institution sei nicht sehr ausgeprägt, sagt er. In den 1980ern habe man mit einer Vorlesungsreihe an der Hochschule für Bildende Künste, wie die UdK damals hieß, versucht, die Forschung auf diesem Feld voranzubringen. Kulturhistorikerin Christine Fischer-Defoy knüpfte daran an, dokumentierte Gespräche mit Zeitzeugen und publizierte eine erste Bestandsaufnahme. Ansonsten ist wenig passiert.
Ein Stückchen vorwärts
Immerhin: Gerade schleppt sich die Aufarbeitung ein Stückchen vorwärts. In Bremen etwa versuchte ein Symposium in diesem Jahr, Licht ins Dunkel der Geschichte der dort ansässigen Hochschule für Künste und anderer Kulturinstitutionen in der NS-Zeit zu bringen. Und die Provenienzforschung wird durch Klagen von den Erben Enteigneter unter Druck gesetzt. Fünfzehn deutsche Museen zeigen derzeit Werke, die einst durch die Hände des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim gingen, und veröffentlichten dazu eine Datenbank.
Es ist ein umstrittenes Projekt. Die Ausstellungsmacher bewegen sich auf glattem Eis, denn über welche Wege die Werke in die Häuser gelangten, ist oft nur lückenhaft oder gar nicht nachvollziehbar. Die Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz beteiligt sich nicht, man wolle sich öffentlich nur zu abgeschlossenen Restitutionsfragen äußern, heißt es in einer Erklärung.
Flechtheim, der auch in Berlin eine Galerie unterhielt, verliert nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten sein ganzes Vermögen und stirbt 1937 im Exil in London. Seine Frau Betty begeht 1941 kurz vor der angekündigten Deportation in Berlin Selbstmord. In den 1920ern hatte Flechtheim Breker noch in die Pariser Kunstszene eingeführt und unter Vertrag genommen.
Die Berliner Tagung diskutiert Nazikünstler wie Breker und verfemte Künstler wie Käthe Kollwitz. Doch es soll auch um die Graustufen zwischen Schwarz und Weiß gehen, etwa um Persönlichkeiten wie Emil Nolde. Der Expressionist hatte sich früh politisch rechts verortet, wurde zum glühenden Nationalsozialisten. Ruppert kommt es auf einen differenzierten Blick an: „Es gab in der NS-Bewegung neben einem traditionalistischen auch einen modernistischen Flügel, der die expressionistische Kunst als völkisch betrachtete und zur Kunst des Nationalsozialismus weiterentwickeln wollte. An den Vereinigten Staatsschulen waren Repräsentanten beider Richtungen vertreten. Der gemeinsame Nenner war der Versuch, die Kultur mit der nationalsozialistischen Weltanschauung zu durchdringen.“ Noldes Kunst wird schließlich verfemt, seine Werke verschwinden aus öffentlichen Ausstellungen. Privat produziert er anfangs weiter und verkauft gut. Nach einem Malverbot kann er ab 1941 wie viele andere Künstler nur noch heimlich malen.
In den 1920ern trat man in Berlin für ein progressives Modell der Künstlerausbildung nach dem Vorbild des Bauhauses ein und legte zwei Institutionen zu den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst zusammen. Mit dem NS-Funktionär Max Kutschmann wird 1933 ein Vertreter des traditionalistischen Flügels Direktor. Professoren wie der Expressionist Karl Hofer und Oskar Schlemmer müssen gehen. Neben jüdischen werden auch einige links eingestellte Studierende zwangsexmatrikuliert, ihre nationalsozialistischen Kommilitonen hatten Denunziationslisten erstellt.
Die „Große Deutsche Kunstausstellung“ soll 1937 im neu erbauten Haus der Deutschen Kunst in München die Richtung für die nationalsozialistische Kunst vorgeben. Bei der Besichtigung der Vorauswahl rastet Hitler aus. Es seien Stücke aufgehängt worden, die einem direkt das Grausen beibrächten, notiert Joseph Goebbels in seinem Tagebuch. Erst mit der an seinem Geschmack orientierten neuen Auswahl ist der Führer zufrieden. So sind schließlich blutleere Bilder deutscher Landschaften zu sehen, Bauernfamilien, Hitler-Büsten und Hirschplastiken.
Die progressiven Werke der Avantgarde werden zeitgleich um die Ecke in der Ausstellung „Entartete Kunst“ vorgeführt und als „kulturbolschewistisch“ und „rassisch minderwertig“ beschimpft, bevor sie zum Teil im Ausland zu hohen Summen verscherbelt werden.
Ein radikaler Schnitt
Anders als etwa an der Akademie der Bildenden Künste in München, wo der Nazikünstler Hermann Kaspar bis zu seiner Pensionierung 1972 unter Verwendung von Begriffen wie „artgerechte“ und „saubere“ Kunst lehrt, habe man sich in Berlin nach 1945 für einen radikalen Schnitt mit der NS-Belegschaft entschieden, sagt Ruppert. Karl Hofer wird wieder berufen und bleibt zehn Jahre lang Direktor der Institution, die jetzt Hochschule für Bildende Künste heißt. Der Bildhauer und Breker-Schüler Bernhard Heiliger lehrt ab 1949 fast vierzig Jahre lang in Berlin. Er habe die Kurve gekriegt, sagt Ruppert: „Ab 1948 wird er abstrakt, damit schließt er sich einer unverdächtigen Strömung an.“
Breker verlässt Berlin und zieht nach Düsseldorf. Dass er Künstler wie Pablo Picasso im besetzten Frankreich vor der Deportation bewahrte, hilft ihm. Er wird als Mitläufer eingestuft. In die Lehre kehrt er nicht zurück, aber seine Künstlerkarriere setzt er fort, erhält lukrative Aufträge von Privatpersonen, porträtiert Politiker wie Konrad Adenauer und Künstler wie Salvador Dalí. Er bereue nichts, sagt er. Das Familienarchiv der Brekers bleibt bis heute für Forscher verschlossen.