: Untreue wird legal
Gewerkschaften und Opposition kritisieren die vom NRW-Kabinett beschlossene Abschaffung des Tariftreuegesetzes. DGB-Landeschef Guntram Schneider: Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen droht
VON MARTIN TEIGELER
Die Bauarbeiter in NRW müssen sich auf mehr Billigkonkurrenz einstellen. Gewerkschafter befürchten wegen der geplanten Abschaffung des Tariftreuegesetzes den massenhaften Abbau regulärer Arbeitsplätze. „Das wird uns kurzfristig 10.000 Jobs kosten“, sagt Arno Haas, Regionalleiter der Industriegewerkschaft Bau. „Die Landesregierung handelt völlig falsch“, so der DGB-Landesvorsitzende Guntram Schneider gestern zur taz. Mittelfristig rechnet der Gewerkschafter mit dem Verlust von 15.000 „fair bezahlten“ Arbeitsplätzen.
Das Tariftreuegesetz verpflichtet die öffentliche Hand bisher, mit Unternehmen zu arbeiten, die Tariflöhne zahlen. Bei öffentlichen Bauprojekten etwa dürfen keine Dumpingfirmen zum Zuge kommen, so die Vorschrift. Doch das Gesetz habe sich als „unwirksam, unpraktikabel und bürokratielastig“ erwiesen, heißt es in einer Mitteilung der NRW-Regierung. Es gebe „erhebliche Mängel bei der Durchführung“, man gehe von „erwiesener Wirkungslosigkeit“ aus.
Das CDU/FDP-Kabinett hat deshalb jetzt die von NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben vorgeschlagene Aufhebung des Gesetzes gebilligt. „Nach Auffassung von Fachleuten werden die mit dem Tariftreuegesetz verfolgten Schutzziele für Arbeitnehmer im Baugewerbe wesentlich wirkungsvoller durch die gesetzlichen Mindestlohnregelungen erreicht“, so die christdemokratische Ministerin. Gesetzliche Mindestlöhne gibt es bislang aber nur in wenigen Branchen, etwa im Bausektor.
DGB-Landeschef Schneider räumt Probleme mit dem bisherigen Gesetz ein: „Es wird einfach zu wenig kontrolliert.“ Etliche Kreise, Städte und Gemeinden hielten sich kaum an die Vorgabe, Aufträge nur an tariftreue Firmen zu vergeben. „Aber warum sollte man ein Gesetz abschaffen, nur weil es nicht eingehalten wird?“, fragt Schneider. „Mit dieser verqueren Logik könnte man ja auch die Straßenverkehrsordnung abschaffen.“
„Ein stumpfes Schwert wird endlich eingeschmolzen“, sagt dagegen CDU-Fraktionsvize Christian Weisbrich. Das Treuegesetz habe sich als ein „bürokratisches Monster“ erwiesen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Rainer Schmeltzer spricht sich hingehen dafür aus, das Tariftreuegesetz auf Grund der gesammelten Erfahrungen nachzubessern.
Gewerkschafter Haas will zehntausende Protestunterschriften sammeln, um die NRW-Landtagsabgeordneten noch von der Entsorgung des Gesetzes abzubringen. Öffentliche Auftraggeber dürften keine „Dumpingfirmen“ unterstützen: „Am Ende bauen zwielichtige Subunternehmen unsere Schulen – und zahlen ihren Billiglöhnern aus Osteuropa nur drei bis fünf Euro die Stunde“, sagt Haas. Der Mindestlohn sei kein wirkungsvoller Schutz, zumal auch der zu wenig überwacht werde. „Wir wollen, dass fair verhandelte Tariflöhne gezahlt werden.“ Der Tariflohn im Bau liegt bei gut 14 Euro, der Mindestlohn bei rund 10 Euro.