: Nicht jeder Klick auf Kinderpornos strafbar
Gericht spricht einen ehemaligen Jugendschützer frei, der sich im Dienst indizierte Internet-Seiten angesehen hatte
HAMBURG taz ■ Wer sich im Büro kinderpornografische Bilder auf den Computer lädt, surft in einer rechtlichen Grauzone herum. Das Landgericht Kiel hat gestern den früheren Jugendschutzbeauftragten der Stadt freigesprochen, der sich wiederholt durch indizierte Seiten klickte und dabei auf seine Dienstpflichten berief. Nun ist der Bundesgerichtshof gefragt. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, eine Grundsatzentscheidung über derartige Fälle anzustreben.
Im Jahr 2002 hatte sich der heute 57-jährige Pädagoge auf seinem Dienst-PC sechsmal kinderpornografische Dateien mit hunderten Bildern beschafft. Vor Gericht behauptete er, nur Seiten aufgerufen zu haben, die auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften standen. Als Jugendschutzbeauftragter habe er überprüfen wollen, ob die illegalen Seiten weiterhin verfügbar seien. Das Gericht hat anerkannt, dass er nicht aus pädophiler Neigung, sondern in Erfüllung seiner Dienstpflichten handelte.
Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf, die noch nie höchstrichterlich entschieden wurden. Zum einen ist ungeklärt, ob schon das Aufrufen kinderpornografischer Bilder oder erst das Speichern per Mausklick strafbar ist. Der Angeklagte hatte die Seiten nur angeklickt. Sein Computer aber hat diese automatisch in einem Zwischenspeicher abgelegt. So hätte er die Bilder später auch offline betrachten können. Das hat er nicht getan. Er selbst berief sich darauf, nicht einmal von der automatischen Speicherung gewusst zu haben. Dennoch warf die Staatsanwältin ihm vor, strafbarerweise Besitz an diesen Bildern gehabt zu haben: Immerhin habe er im Internet gezielt nach diesen Seiten gesucht. Ab dem Moment, wo sie einmal auf seinem Rechner waren, hätte er sie jederzeit ausdrucken oder versenden können, also die „Herrschaftsgewalt“ über sie gehabt. Diese Auffassung vertritt auch der Generalstaatsanwalt von Schleswig-Holstein. Der Anwalt des 57-Jährigen hielt dagegen, dass „wir wieder bei der Inquisition angelangt wären“, wollte man aus systembedingten Zwischenspeicherungen Rückschlüsse auf pädophile Neigungen eines Internetnutzers ziehen. Auch das Gericht verneinte, dass der Angeklagte die Bilder „in Besitz“ genommen habe.
Zum Zweiten wirft dieser Fall die Frage auf, inwieweit einzelne Berufsgruppen zu dienstlichen Zwecken kinderpornografische Seiten begutachten dürfen. Der frühere Jugendschutzbeauftragte hatte sich darauf berufen, Eltern und Jugendliche in Fragen der Suchtprävention, Rechtsextremismus, Okkultismus und eben sexueller Gewalt beraten zu haben. Dafür habe er sich Fachwissen aneignen wollen.
Die Staatsanwaltschaft aber argumentiert, dass nicht jeder, der beruflich Bezug zu Kinderpornografie habe, straffrei auf solchen Seiten surfen dürfe. „Man denke an das Heer aus Pädagogen, Journalisten, Politikern“, die dann problemlos Zugang zu Bildern hätten, die durch sexuellen Missbrauch entstanden sind. Jeder Klick auf einer solchen Seite bilde einen Anreiz für die Hersteller kinderpornografischer Bilder, weitere zu produzieren.
ELKE SPANNER