Altreaktoren: Verschlissen, verrostet, verbraucht

ATOMKRAFT Statistik des Umweltministeriums: In alten Meilern tauchen eindeutig mehr technische Defekte auf

RWE hat gerade einen Weg gefunden, um den Uraltmeiler Biblis A am Netz zu halten

BERLIN taz | Rohre rosten, Behälter bekommen Risse, Komponenten sind verbraucht – in älteren Atomkraftwerken treten überdurchschnittlich viele „meldepflichtige Komponenten- und Bauteildefekte“ auf. Das zeigt eine Statistik, die das Bundesumweltministerium für die Jahre 1993 bis 2008 zusammengestellt hat und über die das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ am Montag berichtete.

Zwar gab es schon immer allgemeine Pannenstatistiken, doch erstmals lässt sich nun zuordnen, in welchen Meilern genau die Bauteile schlappmachen. Dies hatte die grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl gefordert. Und anders als die Betreiber der Meiler gerne behaupten („Alle 17 deutschen Reaktoren gehören zu den sichersten der Welt“), gibt es große Unterschiede.

Die meisten sicherheitsrelevanten Defekte (82) gab es in den vergangenen 15 Jahren im Atomkraftwerk Krümmel. Das AKW Brunsbüttel kam auf 80 Defekte, Biblis B auf 78 und Biblis A auf 66. Die vier Reaktoren wurden zwischen 1975 und 1984 in Betrieb genommen. Dagegen meldeten Neckarwestheim II 19 technische Defekte und Isar II 20 – beides jüngere Reaktoren, deren Bauart anders ist.

Ältere Meiler bergen also mehr Sicherheitsrisiken. Schon 2007 hatte der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz die Stromkonzerne aufgefordert, sie vorzeitig vom Netz zu nehmen – zumal auch Nachrüstungen die Mängel offenbar nicht beheben. „Report Mainz“ zitiert aus internen Dokumenten des Bundesumweltministeriums. Darin heißt es, „das Potenzial für die unbeabsichtigte Einführung zusätzlicher Fehler“ mit der Nachrüstung steige. In vielen Fällen sei „weniger zu erreichen, als erwartet werden könnte“.

Die Energiekonzerne ficht das nicht an. Der Essener Stromkonzern RWE hat gerade einen Weg gefunden, um den ältesten noch laufenden Atommeiler – Biblis A – am Netz zu halten: Da seine im rot-grünen Atomkonsens festegelegte Reststrommenge fast ausgeschöpft ist, kauft er nun von seinem Konkurrenten Eon Kontingente hinzu. Diese stammen noch vom bereits stillgelegten Atomkraftwerk in Stade. Das umstrittene Geschäft ist seit Sonntagabend perfekt.

HANNA GERSMANN