Die Collage hat wieder Konjunktur

BILDBAND Die aktuelle Collagen-Kunst ist eine staubige Sache

„The Age of Collage“ ist der Titel eines monumentalen Bildbandes, der sich mit der gegenwärtigen Collagen-Szene befasst. Der Band behauptet eine Renaissance der Collage. Aber spielen neue Mittel und Inhalte wirklich eine Rolle?

Die Collage entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Ateliers von Georges Braque und Pablo Picasso. Beide montierten zunächst Zeitungsausschnitte in ihre Bilder und durchbrachen so die Illusion der Malerei durch die Aufnahme von Material aus der alltäglichen Welt. Dadaisten wie Hannah Höch und Raoul Hausmann sahen angesichts des Elends des Ersten Weltkriegs die bürgerliche Gesellschaft all ihrer Wirkmächtigkeit beraubt. Auch Kunst konnte es nicht mehr geben. Statt Ölfarben trugen sie allerlei Abfall auf die Leinwand auf: abgerissene Knöpfe, gestempelte Fahrkarten, Illustriertenbildchen.

Und später zeigt John Heartfield dann Anfang der 30er Jahre Hitler mit einem riesigen Wirtschaftsboss im Rücken, der ihm in die erhoben Hand Geldscheine legt. Mit dem Surrealismus bekam die Collage eine eigene Grammatik. Und Hans Bellmer, der lose mit der Bewegung alliiert war, entdeckte in der Collage eine Verbindung zur filmischen Montage. Er wandte ihre Mittel an, um Momente des Unbewussten sichtbar werden zu lassen. So entstanden Welten des Schreckens; zerstückelte Frauenkörper.

In der Nachkriegszeit wurde die Collage von der Hippie- und Punkbewegung aufgegriffen. Zweck war, die bestehende Ordnung mit der Schere in ihre Einzelteile zu zerlegen und mit Klebstoff neu zu ordnen. Von einer Aktualisierung aber kann nicht die Rede sein. Die ästhetischen Mittel sind mehr oder weniger dieselben. Neuerungen der Wahrnehmung und Gestaltung werden abgewehrt.

Bei Martha Rosler schlummert eine junge Frau in ihrem Wohnzimmer, während im Hintergrund Soldaten sich vor dem Feind in Sicherheit bringen. Jorge Chamorros Papst trägt einen Big Mac als Kopf, und Linder Sterling montiert Porno mit Technik. Weimarstyle, sozusagen. Ferner lassen Punk und Pop-Art grüßen. Nirgends aber winkt das Heute.

Fast nirgends jedenfalls. Nur vielleicht bei Kent Rogowski, der standardisierte Stanzmuster von Puzzlespielen nutzt, um aus unterschiedlichen Sets passende/nichtpassende Bilder zu kreieren. Eine Collage ist dies allerdings nur bedingt.

Vielleicht ist das neue Interesse an der Collage ein nostalgischer Zug? Voller Sehnsucht nach dem guten alten Modernismus? Nach der Zeit vor Photoshop, der Zeit von echten Schnipseln und handfesten Werkzeugen. Selbst das Material der neuen Collagen-Kunst ist meist antiquarisch. Durch die Jahre geadelter Abfall von gestern. Eine staubige Sache, die neue Collagen-Kunst. RADEK KROLCZYK

■ Dennis Busch, Robert Klanten, Hendrik Hellige (Hrsg.): „The Age of Collage: Contemporary Collage in Modern Art“. Die Gestalten Verlag, Berlin 2013, 285 S., 39,39 Euro