: Bald ist jeder und alles verdächtig
VON SUSANNE GANNOTT
Aus dem Bauch heraus werden die meisten sagen: Besser zu viel kontrolliert als zu wenig. Das ist eben der Preis für unsere Sicherheit, dass auch Unschuldige mal in die Mangel genommen werden. Und: Hätte die Zeugin den Mund gehalten und das Flugzeug wäre wirklich entführt worden, wäre das Geschrei groß gewesen. Letzteres ist sicher richtig. Und doch zeigt das Beispiel mit den beiden in Tegel irrtümlich festgenommenen Männern einmal mehr, wohin uns die seit Jahren geschürte Terrorangst führen kann: Am Ende verdächtigt jeder jeden – oder zumindest jeden, der nicht ganz dem mitteleuropäischen Durchschnitt entspricht, der vielleicht einen Bart hat oder irgendwie „ausländisch“ aussieht.
Verdächtiges Gespräch
Was ist passiert in Tegel? Eine Frau hört, wie sich zwei Männer auf Russisch (verdächtig!) darüber unterhalten, dass sie gleich ihren Flug nach Moskau entführen wollen. Hallo?! Zwei Entführer bereden in aller Öffentlichkeit, dass sie gleich ein Flugzeug entführen wollen? Ist das wirklich vorstellbar? Oder sagt diese Verdächtigung nicht mehr aus über die eigene, ins Paranoide übersteigerte Angst, die hinter allem eine Gefahr wittert?
Seit dem 11. September wird uns permanent eingebläut, dass die Gefahr überall lauert. Und je größer sie ist oder zu sein scheint, desto mehr Sicherheitsmaßnahmen scheinen gerechtfertigt – desto mehr wächst aber auch die Angst, dass es uns eines Tages doch erwischt: im Zug, im Flieger, auf der Straße.
Natürlich ist ein vernünftiges Maß an Sicherheitskontrollen unerlässlich. Aber wir müssen aufpassen, dass unsere Angst nicht zum alles beherrschenden Faktor wird. Sonst trauen wir uns am Ende gar nicht mehr aus dem Haus. Und dann fällt irgendwann ein Meteorit aufs Dach.