Ein böses Foul

ZDF-Haushistoriker Guido Knopp hat mit „Wir Weltmeister“ (20.15 Uhr) ein neues Genre geschaffen: die „Dokumödie“. Warum, weiß nur er selbst

VON RENÉ MARTENS

Schreibt Guido Knopp bald das Drehbuch für einen ZDF-Thriller, dreht er eine Sozialreportage oder berichtet über seltene Tierarten? Auszuschließen ist das nicht, denn heute feiert der Haushistoriker der Mainzer sein Debüt als humoristischer Autor. Zusammen mit Sebastian Dehnhardt hat er „Wir Weltmeister“ geschaffen, eine „Dokumödie“: Die beiden erzählen, mit Hilfe diverser Zeitzeugen aus dem Altstar-Milieu, die Geschichte der Weltmeisterschaften von 1954 bis 1990 und verknüpfen sie mit einem launigen Ost-West-Liebesmärchen, das während der 54er-WM beginnt, sowie einem Zeitgeschichtspotpourri.

Schon die ersten Sekunden des Films irritieren sehr. Die Spielhandlung beginnt 1954 in einem mecklenburgischen Dorf, am Tag des Endspiels von Bern, und wir hören den Musical-Song „You’ll never walk alone“ in der 1963 erschienenen Version von Gerry & The Pacemakers. Mal abgesehen davon, dass „You’ll never walk alone“ als Fußballhymne hierzulande erst in den 90er-Jahren entdeckt wurde: Was hat ein englischer Sixties-Nummer-eins-Hit mit der Endspielstimmung in der DDR 1954 zu tun?

Zappen wir ins Jahr 1962: „In Berlin wurde die Mauer gebaut, und auch bei der WM in Chile wurde gemauert und getreten“, heißt es im Off-Kommentar. Zu den Mauerbaubildern sind die Zeilen „People try to put us down/Talkin’ bout my generation“ aus dem The-Who-Song „My Generation“ zu hören. Auf die Idee, die Hymne der Mods könnte einen Bezug zur DDR haben, ist bisher auch nur das ZDF gekommen.

Beim Rückblick auf 1966 geht es natürlich um das Wembley-Tor – und um die Aussage des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke, der den Ball „im Netz zappeln“ gesehen hatte. Dieser spinnerte Satz, sagt der damals im deutschen Mittelfeld spielende Zeitzeuge Helmut Haller, sei für ihn „wie ein Keulenschlag“ gewesen. Schnitt, Straßenschlachtbilder, jetzt haben wieder die Autoren das Wort: „Dann kam 1968. Keulenschläge waren an der Tagesordnung.“ Regisseur Dehnhardt sagt, man habe den Übergang sogar inszeniert, indem man Haller den Satz mit dem Keulenschlag in den Mund gelegt habe. Offensichtlich haben sich die Autoren vor der Arbeit auch einige Keulenschläge zufügen lassen.

Ohnehin biegen sich Dehnhardt/Knopp die Kultur-, Sport- und Gesellschaftsgeschichte so zurecht, wie es ihnen gerade passt. Beispiel: die Niederlage der Engländer gegen die Deutschen bei der WM 1990. Hinterher, heißt es hier, habe der frühere Nationalspieler und heutige BBC-Mann Gary Lineker „wieder mal“ den Satz gesagt, dass Fußball ein Spiel sei, in dem 22 Leute einem Ball hinterherrannten und am Ende immer Deutschland siege. Tatsächlich hat Lineker den Satz vier Jahre später zum ersten Mal gesagt.

Es misslingt einfach alles: Dehnhardts Musikauswahl ist uninspiriert, zu den 70ern fallen ihm teilweise nur Songs aus den 60ern ein („Nights In White Satin“); die Spielhandlung ist hölzern, besonders jene Passagen, in denen der männliche Protagonist Max (Jens Atzorn) den Fußballverrückten geben soll. Nicht zuletzt dürfte der Humor wohl nur für Leute erträglich sein, die ihre Midlife-Crisis hatten, als Wim Thoelke der Größte war.

Es gibt Dutzende unterirdische Fußballfilme, aber „Wir Weltmeister“ ist selbst für den pessimistischsten Genrekenner ein peinigender Albtraum. Diese atemraubende Mixtur aus Ahnungs- und Instinktlosigkeit ist etwa so stimmig wie ein feministischer Splatterporno mit Guido Knopp in allen Hauptrollen.