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Archiv-Artikel

Das Montagsinterview„Röhl war nur ein Strohmann“

Nostalgie klingt anders: Warum Klaus Hübotter sich nicht für Nackte in „konkret“ erwärmen konnte und sein Abo nun bezahltPOLITIK ODER PORNO Der Bremer Baukaufmann Klaus Hübotter ist Mitbegründer der Zeitschrift „konkret“ und dem späteren Herausgeber Klaus Röhl in lebhafter Feindschaft verbunden. Ein Gespräch über vermeintliche Entführungen und die Freude an der Konkursmasse

Klaus Hübotter, 79

wechselte nach einem Jurastudium ins Bauwesen. Er war Funktionär der FDJ und bis 1991 DKP-Mitglied. Für den Erhalt historischer Gebäude wurde er mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz ausgezeichnet.

INTERVIEW HENNING BLEYL

taz: Herr Hübotter, Sie sehen sich in Ihrer Rolle als Gründer von konkret verkannt. Als Baukaufmann könnte es Ihnen doch nur recht sein, nicht allzu oft mit einem Blatt in Verbindung gebracht zu werden, das der Verfassungsschutz dem „undogmatischen Linksextremismus“ zurechnet?

Klaus Hübotter: Meiner jetzt über ein halbes Jahrhundert zurückliegenden linken „Heldentaten“ habe ich mich nie gerühmt, sie aber auch nie verheimlicht oder mich ihrer geschämt. Berufliche Nachteile hatte ich dadurch kaum. Verkannt fühle ich mich im Übrigen nur von Leuten, die keine Ahnung haben oder wenn jetzt im Stern steht, Klaus Rainer Röhl habe konkret gegründet. Alle intimen Kenner der Szene wissen, dass ich 1955 mit Hilfe der Freien Deutschen Jugend (FDJ) den Studentenkurier gegründet habe, der später in konkret umbenannt wurde. Röhl und Rühmkorf waren lediglich bezahlte talentierte Strohmänner. Sie wurden benötigt, weil ich wegen des damaligen FDJ-Verbotes nicht offiziell in Erscheinung treten konnte.

Durch die Missbrauchsvorwürfe gegen Röhl als ehemaligem Chefredakteur ist konkret derzeit im Fokus der Aufmerksamkeit. Angeblich soll sein „Umfeld“ schon damals einiges geahnt haben. Können Sie das bestätigen?

Nein. Bekanntlich ist Röhl seit Jahrzehnten mein Gegner, politisch und menschlich. Über seine Sexualpraktiken weiß ich jedoch ebenso wenig wie irgendein anderer meiner Freunde und Bekannten aus diesem „Umfeld“. Nicht einmal mein Freund Heinrich Hannover, der Strafverteidiger von Ulrike Meinhof, weiß davon das Geringste.

Woher kommt Ihre Feindschaft zu Röhl?

Während ich 1955/56 wegen „Staatsgefährdung“ in Untersuchungshaft saß – übrigens nie in Strafhaft – und mich nicht wehren konnte, trat Röhl der KPD bei und stahl mir mit allen möglichen und unmöglichen Machenschaften das Blatt, um es anschließend mit seiner Pornoverpackung zu ruinieren.

Die positive Lesart wäre: Röhl hat auch DDR-kritische Artikel gedruckt, ohne Rücksicht auf die Finanzierung der konkret durch die SED.

Unter den Bedingungen des Kalten Krieges in den 50er Jahren und des KPD-Verbotes konnte eine Tarnzeitung keine unverbrämte kommunistische Propaganda machen, sie musste sich schon ab und an einige unbedeutende kritische Artikel gegen die DDR leisten. Die damals zuständigen fundamentalistischen Hintermänner in Ostberlin hatten das nicht kapiert. Das allein war der Grund für den Bruch zwischen Röhl und seinen Geldgebern.

Röhl ist Ihnen zu Folge „zu Recht berüchtigt“, Peter Rühmkorf „zu Unrecht berühmt“. Gab es auch etwas Gutes an der konkret ohne Hübotter?

Es gab immer wieder die bedeutendsten Autoren in der Zeitschrift. Selbst Rühmkorf werde ich sein literarisches Talent nicht absprechen, nur seine menschlichen Qualitäten. Er war schließlich der Erfinder der berüchtigten Pornotaktik in konkret. Nach dem Rauswurf von Röhl und Rühmkorf aus konkret Ende 1973 erfand Rühmkorf das dann von Röhl publizierte absolut primitive Pornoblatt das da. Zwischen die dort abgebildeten Animiermädchen streute Rühmkorf seine überschätzten Gedichte.

Für die er später immerhin den Büchner-Preis bekam. Unter anderen.

Leider. Man hätte bessere Schriftsteller finden können, besonders charakterlich bessere. Aber obwohl diese Röhl-Rühmkorf’schen Machenschaften gut zu den jetzigen Missbrauchsvorwürfen passen, bleiben diese Anschuldigungen meiner Beurteilung nach spekulativ und unbewiesen, wahrscheinlich auch unbeweisbar. Anja Röhl, von der die Vorwürfe stammen, habe ich selbst Übrigens nie kennen gelernt.

Dafür wurden die Röhl-Zwillinge Regine und Bettina 1971 in Ihrer Wohnung in Bremen-St. Magnus gesucht – von einem schwer bewaffneten Großaufgebot.

Das war eine der perfidesten und dümmsten Aktionen, die sich die politische Polizei nach dem Krieg in Deutschland geleistet hat, und als solche ist sie schließlich auch offiziell und öffentlich bestätigt worden. Mit viel Glück, etwas Verstand und der Hilfe mutiger Freunde haben meine Familie und meine Firma sie unbeschadet überstanden. Ich wurde seinerzeit auch verdächtigt, nicht nur die Röhl-Töchter, sondern auch Baader und Meinhof zu verstecken. Man dichtete mir sogar intime Beziehungen zu Ulrike Meinhof an, die ich in meine ganzen Leben nie gesehen habe.

Warum standen Sie im Fokus der Ermittler?

Das habe ich mich selbst gefragt und nach dem Polizeiüberfall sofort 10.000 Mark für jeden ausgelobt, der mir einen Hinweis geben würde. Die Tagespresse berichtete seitenlang über die gegen mich erhobenen Vorwürfe. Zu meiner eigenen Pressekonferenz erschien breit grinsend der Bremer Generalstaatsanwalt Jahnknecht und verkündete, soeben sei Ulrike Meinhof verhaftet worden. Es war tatsächlich die halbe Innenstadt abgesperrt. Eine halbe Stunde später wurde Jahnknecht herausgerufen und kam mit bedröppeltem Gesicht wieder herein: Es war eine Verwechslung. Die Presse hat dankenswert schnell meine Position eingenommen und sich von der unsinnigen Polizeiaktion distanziert. Nur der damalige Bremer Polizeipräsident Erich von Bock und Pollach blies noch wochenlang in das Horn des Verfassungsschutzes.

Was war denn nun der Grund für den Einsatz?

Schlicht und ergreifend eine primitive Verwechslung. Der Chauffeur von Ulrike Meinhof war verhaftet und umgedreht worden. Mit dem ist die Polizei sämtliche Wege abgefahren, die er mit Frau Meinhof zusammen zurückgelegt hatte. Er hatte unter anderem ausgesagt, er sei auf einer seiner Fahrten zu einem Mehrfamilienhaus in Bremen gefahren, wo Meinhof „einen Juristen“ besuchen wollte. Dieses Haus, in dem auch ich wohnte, hatte ich kurz zuvor gebaut und auf dem Bauschild stand noch: „Bauherr: Dr. jur. Hübotter“. Das allein genügte den Beamten, sich auf meine Wohnung zu stürzen, obwohl sich im Haus noch weitere zehn befanden. „Erschwerend“ kam hinzu, dass in meiner Wohnung zwei kleine Mädchen beobachtet wurden. Bei denen handelte es sich allerdings nicht um Regine und Bettina Röhl, sondern um meine gleichaltrigen Töchter. Ein halbes Jahr später erfuhr ich schließlich, welcher Jurist denn nun tatsächlich von Ulrike Meinhof besucht worden war. Der wohnte in einer ganz anderen Wohnung dieses Hauses, war Rechtsanwalt und SPD-Mitglied. Ich habe ihn der Presse nicht genannt, um ihn nicht in den gleichen Misskredit zu bringen, in den ich um ein Haar selbst geraten wäre. Der Name ist dem Senat bekannt, nicht der Öffentlichkeit.

Zurück zu konkret . Beim Konkurs 1973 haben Sie sich für 35.000 Mark die Namensrechte gesichert. War das Rache an Röhl?

Nein, die historische Gerechtigkeit hatte sich längst durchgesetzt. Der Titel war der einzige Wert in der Konkursmasse. Nachdem ich dafür gesorgt hatte, dass mein Kaufpreis allein unter den arbeitslosen Redakteuren verteilt wurde und alle für den Verlag mitbürgenden Mitarbeiter von ihren Bürgschaften befreit waren, kamen die verschiedensten Interessenten zu mir, die den Titel zu erhalten wollten. Ich bin auf diese Angebote nicht eingegangen, auch nicht auf das der DKP, die später ohne meine Erlaubnis ein bald eingegangenes Blättchen unter diesem Namen aufmachte. Schließlich aber habe ich den Titel Hermann L. Gremliza geliehen, weil ich annahm, dass er es irgendwie schaffen würde, die Zeitschrift wieder zu beleben. Das hat sich ja auch bestätigt.

Der von Ihnen inthronisierte Verleger Gremliza ist für die zustimmende Haltung von konkret zur US-Invasion in den Irak verantwortlich.

Leider. Diese windige Haltung hat mich dazu veranlasst, mir die kostenlose Zusendung des Blattes zu verbitten. Wer konkret heute finanziert – von den Abonnenten und Anzeigen kann es nicht existieren –, weiß ich nicht konkret. Aber man braucht nur zu fragen: „cui bono?“

Sind Sie selbst noch finanziell an konkret beteiligt?

Nein. Es ist stadtbekannt, für welche gemeinnützigen Zwecke ich das Geld, das ich gelegentlich über habe, einsetze: für die friedenspolitische und kulturelle Arbeit der Villa Ichon in Bremen, für das Bremer Hafenmuseum und für den Erhalt und Betrieb ehemaligen Sendesaals von Radio Bremen. Allerdings gehört mir bei konkret nach wie vor der Titel. Die Bedingungen der Ausleihe an Gremliza werden vermutlich erst nach meinem Tod veröffentlicht.