: Kernige Kerle
Im Kleinert-Film „Als der Fremde kam“ soll Götz George ein von Schließung bedrohtes Bergwerk retten – seinen Job macht er gut (20.15 Uhr, ARD)
VON CHRISTIAN BARTELS
Der Fernsehfilm mit dem Westerntitel „Als der Fremde kam“ beginnt mit einer Western-inspirierten Szene: Götz George, der einen hauptberuflichen Gewerkschafter spielt, entsteigt am Provinzbahnhof einem Zug und versucht, beim Einen-hinter-die-Binde-Kippen halbwegs cool zu bleiben. Am Ende steht die hinreißende Dagmar Manzel als mental überlegene Frau zwischen zwei Männern, die sie beide wollen – fast wie in einem Teamworx-Ereignismelodram. Überdies enthält der Film den allerältesten Gag der Filmgeschichte, den mit dem Gartenschlauch aus „L’Arroseur arrosé“ (1895) der Brüder Lumière und weitere bodenständige Scherze („Es hat ja nicht nur Vorteile, wenn man die Schuhe auszieht“).
Hier übertrifft Regisseur Andreas Kleinert gängige Fernsehfilme in puncto Realismus wie Poesie und macht dabei auch noch Spaß. Einerseits erzählt er eine recht reife, auch etwas infame Liebesgeschichte. Selbst eine Bettszene ist dabei, in der zwei Pärchen einander überraschen (und jeweils die aus den Pärchen, die verwandt sind, Neues über einander erfahren – wie in jeder Romantikkomödie). Andererseits geht es um einen verzweifelten Arbeitskampf mit Hungerstreik im deutschen Osten.
Das Drehbuch basiert auf einem älteren des Saxonia-Media-Geschäftsführers Hans-Werner Honert über den vergeblichen Hungerstreik im Bischofferoder Kalibergbau 1993. Im Film bleibt davon vor allem Mediensatire.
Dennoch ist „Als der Fremde kam“ für den degenerierten ARD-Mittwochsfilm-Termin ungeheuer politisch, nicht nur, weil George in seiner Rolle „unser Mann aus Hannover“ genannt wird und schon daher an Altkanzler Gerhard Schröder (jetzt: Gazprom) erinnert. Das übrigens auch, weil George sympathischerweise der Schnauzer fehlt.
Echte Gewerkschaftler hätten nach dem Lesen des Drehbuchs darauf hingewiesen, hieß es am Rande einer Pressevorführung, dass Onanieren nicht typisch für sie sei. Das wird aber auch nur einmal dezent angedeutet.
Gefilmt ist das Ganze im schön anzuschauenden Stil des „poetischen Realismus“ (WDR-Fernsehfilmchef Gebhard Henke). Gespielt wird es von physischen, durchweg kräftigen Schauspielern: neben George ackern Christian Redl, Aljoscha Stadelmann und Thomas Lawinky, bekannt durch seine Frankfurter Kritiker-Attacke.
Das fulminante Genre-Crossover, das ARD-Fernsehfilm-Koordinator Ulrich Deppendorf bei einer Jahresvorschau als einzigen aktuellen Film ankündigte, der „im Arbeitermilieu“ spielt, ist ein großer Film – weil er oft und nachhaltig überrascht, ganz ohne in den Bahnen überraschungsorientierter Romantik-Familienkomödien oder Ermittlerkrimis zu verlaufen, die sonst im Fernsehen immer „für jeden etwas“ bieten wollen und nach zehn Minuten langweilen.