: „Kraft und Möglichkeiten“
MILITANZ Eine Veranstaltungsreihe blickte auf die Krawalle beim Rekrutengelöbnis im Weserstadion vor 30 Jahren zurück
Nicht nur die ARD widmet sich mit der Verfilmung des Romans „Neue Vahr Süd“ derzeit dem Rekrutengelöbnis am 6. Mai 1980 im Weserstadion. Auch Gruppen aus der linken Szene haben mit insgesamt sieben Veranstaltungen auf jene Zeit „zurückgeblickt, um wieder nach vorne zu schauen“, wie es in ihrem Aufruf hieß.
„Letztlich ging es um die Frage: Was kann man für heute lernen, was kann man getrost vergessen?“, sagt Martin W. von der „AG 6. Mai“, an der sich neben dem Kulturzentrum Paradox und der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter anderem der ASTA, das Sielwallhaus und der Buchversand Anares beteiligt hatten. Laut W. kamen insgesamt über 700 Interessierte zu den Veranstaltungen – und das, obwohl ein von der Uni organisiertes Symposium im Schlachthof die gleiche historische Nische beackerte.
„Militanz war damals für ganz viele Leute ein reales Mittel, um sich gegen einen befürchteten Krieg zu wehren“, sagt W. Das Rekrutengelöbnis zeige, dass der Widerstand gegen Rüstung und Krieg damals von großen Teilen der Gesellschaft getragen wurden – genau wie viele andere linke Forderungen damals Zustimmung im Mainstream fanden. Dies habe letztlich dazu geführt, dass es in Bremen etwa einen „Senatsbeauftragten für Rüstungskonversion“ gab.
Heute sei die politische Lage zugespitzter – Deutschland unterhalte eine Angriffsarmee, der Sozialstaat sei massiv unter Druck – „aber die Leute nehmen die Probleme subjektiv oft gar nicht wahr“. Bremen sei ein wichtiger Rüstungsstandorte und tue alles, um hier weitere Rüstungsproduktion anzusiedeln. „Das stört aber nicht nur niemanden, es redet auch keiner drüber.“
Ein seltenes Bild sei da gewesen, dass während ihrer Veranstaltungen alte KBW- und DKP-Aktivisten mit jungen Antifas zusammentrafen. „Dass die älteren gleich wieder anfangen würden, sich über die richtige Marx-Auslegung zu streiten, hätten wir aber nicht gedacht“, sagt W.
„Habt Ihr noch Helme im Keller?“, stand auf den Plakaten, die die Reihe ankündigten. Und weil die Veranstalter auch noch in einer 70-seitigen Broschüre genüsslich alte Flugblätter nachdruckten, sei ihnen „Militanzverherrlichung“ vorgeworfen worden. Dabei habe man „nur auf die historische Militanz verweisen wollen“, sagt W.
An der Stadt wie an der Linken sei das Gelöbnis nicht spurlos vorübergegangen. „Das hat sehr viel angestoßen, auch weil man die Krawalle massiv umdeuten konnte“, sagt W. „Man hat gedacht, dass man dadurch ganz viel erreicht hatte.“ Tatsächlich habe der 6. Mai der Linken „das Gefühl von Kraft und Möglichkeiten“ gegeben – genau das, was ihr heute fehle. Dadurch seien etwa Hausbesetzungen im Ostertor oder auf dem Schlachthofgelände in Gang gekommen. „Und öffentliche Gelöbnisse hat es danach auch erstmal nicht mehr gegeben.“ CJA