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Archiv-Artikel

Experten setzen auf Trennung

Bei der Anhörung im Verkehrsausschuss herrschte Einigkeit: Eine Privatisierung der Deutschen Bahn inklusive Schienennetz wäre für Investoren hochattraktiv. Für die Steuerzahler und die Zukunft des Schienenverkehrs würde sie sich fatal auswirken

AUS BERLIN ANNETTE JENSEN

Über eines waren sich die elf Experten einig, die der Verkehrsausschuss des Bundestages gestern eingeladen hatte, um über die Zukunft der Deutschen Bahn AG (DB) zu beraten: Die DB darf auf keinen Fall inklusive Netz verkauft werden, wenn mehr Verkehr auf der Schiene stattfinden soll. Und genau das war eines der wichtigsten Motive für die Bahnreform vor zwölf Jahren.

Einen entscheidenden Grund für das ausbleibende Wachstum des Schienenverkehrs sehen die Experten in der fortlaufenden Benachteiligung von DB-Konkurrenten. „Wo Anreize zur Diskriminierung bestehen, wird in aller Regel auch diskriminiert“, so Jürgen Basedow, Vorsitzender der Monopolkommission. Wie fast alle anderen plädierte er deshalb dafür, zunächst Netz und Betrieb klar zu trennen.

Ob die DB oder Teile von ihr überhaupt an die Börse gebracht werden sollten, war dagegen umstritten. „Damit die DB verkaufbar ist, müssen die Anlagen de facto verschenkt werden“, sagte Karl-Dieter Bodack, Professor aus Coburg. Er kalkuliert den Wert von Gleisen und Bahnhöfen auf etwa 60 Milliarden Euro – die nicht in die Bilanz des Unternehmens eingehen und auch beim Verkaufserlös keine Rolle spielen würden. Auch Basedow warnte deshalb davor, dass Investoren beim so genannten integrierten Modell attraktive Grundstücke in zentralen Stadtlagen quasi kostenlos mitgeliefert bekämen. Das sei ein „erhebliches Versilberungspotenzial“. Sollte der Staat gezwungen sein, die Bahnprivatisierung irgendwann rückgängig zu machen, würde allein der Rückkauf dieser Grundstücke riesige Kosten verursachen.

Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern hält eine „echte“ Privatisierung des Gesamtsystems Bahn für unmöglich, weil die Infrastruktur nie gewinnträchtig sein könne. Doch weil garantiert sei, dass der Staat dafür aufkommen müsse, würden sich sicher Investoren einfinden. Eine Bahnaktie, wie sie sich Bahnchef Hartmut Mehdorn vorstellt, wirke wie ein festverzinsliches Wertpapier und sei für die Käufer „hochattraktiv“, urteilte auch Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), der früher selbst im DB-Vorstand arbeitete und wegen seiner klaren Positionierung für eine Trennung von Netz und Betrieb rausgeschmissen wurde.

Der Juraprofessor Georg Hermes wies auf juristische Fallstricke hin, wenn sich Bundestag und Bundesrat für das „integrierte Modell“ entscheiden sollten. So müsse der Einfluss des Bundes auf die Infrastrukturentscheidungen rechtlich abgesichert werden. Alles andere sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht könne die Privatisierung stoppen. Auch Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof seien wahrscheinlich.

„Sollte die DB zusammen mit der DB Netz an die Börse gehen, bin ich froh, kein deutscher Steuerzahler zu sein“, sagte Marc Falchi vom Europäischen Verband der Infrastrukturbetreiber. Aus seinen internationalen Erfahrungen in Schweden, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden wisse er, dass „die Kosten der Regulierung bei fehlender vollständiger Trennung um ein Vielfaches höher“ liegen, als wenn das Netz tatsächlich unabhängig verwaltet werde. Außerdem führe Wettbewerb zu Verkehrswachstum auf der Schiene, Kostensenkungen und höheren Investitionen.

Sarrazin plädierte dafür, sich nicht unter Entscheidungsdruck zu setzen. Der von der DB für 2010 angestrebte Gewinn von 2,5 Milliarden Euro – der auch für die Börsenfähigkeit notwendig erscheint – sei auf keinen Fall zu erreichen. Insofern sei es auch nicht nötig, die Entscheidung zum Thema Netz und Betrieb übers Knie zu brechen.