: Genpflanzen blühen „illegal“
Grünen-Gutachten: Zulassung von Genmais durch die Regierung ist gesetzeswidrig
BERLIN taz ■ In diesem Frühling werden deutsche Bauern zum ersten Mal Genmais kommerziell anbauen. Es ist eine umstrittene Premiere, die die Grünen nun in letzter Minute stoppen wollen. Gestern brachten sie dazu einen Antrag in den Bundestag ein. Renate Künast, einst Agrarministerin, heute grüne Fraktionsvorsitzende, sagt: „Der Anbau ist in Deutschland illegal“ – und stützt sich auf ein Rechtsgutachten.
Hat sich Horst Seehofer vertan? Kaum war der CSU-Bundesagrarminister im Amt, veranlasste er das Bundessortenamt, erstmals einen Genmais für den kommerziellen Anbau zuzulassen. Name der Sorte: Mon 810. Besonderheit: Biotechnologen haben die Erbsubstanz des Bacillus thuringiensis (Bt) in die Pflanze eingebaut. Nun produziert das Gewächs ein Gift, das dem Maiszünsler, einem lästigen Schädling, nicht bekommt. Die US-Gentech-Marktführer Monsanto und Pioneer versprechen den Bauern, mit dieser neuen Sorte höhere Erträge zu erzielen. Die EU hat sie im Prinzip schon 1998 zugelassen.
Allerdings: Das Genehmigungsverfahren wurde seitdem reformiert. Heute müssen die Auswirkungen von Designerpflanzen, die im Essen landen können, genauer geprüft werden. Darum sagt der Berliner Rechtsanwalt Achim Willand: „Die Zulassung gilt nicht mehr, sie war befristet“ – wie für alle Erzeugnisse, die nach altem Recht geprüft wurden. Willand ist einer der Autoren des Gutachtens.
Die Agrarkonzerne müssten erst mal die Unbedenklichkeit ihrer Genpflanzen beweisen, meinen nun die Grünen – und das dürfte schwierig werden. Die Vorbehalte gegen Mon 810 sind groß und die Studien zahlreich, die Risiken ausmachen. Wissenschaftler aus Ungarn zeigten beispielsweise: Die Raupen des Tagpfauenauges sterben, wenn sie mit Blättern gefüttert werden, auf denen sich Genmais-Pollen breit gemacht haben. Ähnliche Ergebnisse gibt es in den USA.
Ungarn hat Mon 810 verboten. Österreich und Griechenland verhängten einen Importstopp. Polen sowie die Slowakei sträuben sich genauso. Die deutsche Regierung hingegen hat sich für blühende Genäcker ausgesprochen. Sie wird sich wegen eines Antrags der Opposition nicht genkritischer positionieren.
Paradox: Die Experten des Bundessortenamtes hatten selbst in einem Gutachten geschrieben, dass die „gentechnikrechtlichen Voraussetzungen für eine Zulassung nicht gegeben sind“. Dieser Ansicht schlossen sich auch die Richter des Niedersächsischen Oberwaltungsgerichts im September letzten Jahres an: Sie wiesen Monsanto ab, als der Konzern versuchte eine Erlaubnis für seine Genpflanzen einzuklagen. Die Zulassung von Mon 810 kam entsprechend überraschend. Das Bundessortenamt ist eben weisungsgebunden gegenüber Horst Seehofer.
HANNA GERSMANN