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Archiv-Artikel

„Ich kenne alle Tricks“

„Ich sehe die Dinge vielleicht gelassener. Ich habe 25 Jahre in der Opposition und damit nicht selten für den Papierkorb gearbeitet“„2007 geht es um Strukturveränderungen und Personalabbau. Einigen geht das nicht schnell genug, anderen geht das zu schnell“

INTERVIEW KLAUS JANSENUND MARTIN TEIGELER

taz: Herr Linssen, wöchentlich wird gegen Ihre Sparpolitik demonstriert. Wir haben das Gefühl, das macht Ihnen Spaß.

Helmut Linssen: Spaß macht es nicht, aber ich bin überzeugt davon, dass unser Kurs richtig ist. Wir werden das Ziel, den Haushalt zu konsolidieren, erreichen. Dann werden alle merken, dass dieses Land wieder neue Spielräume hat und in die Zukunft investieren kann.

Bei der letzten Landtagsdebatte haben Sie eine Rüge bekommen, weil Sie auf der Regierungsbank laut aufgejault haben wie ein Hund. Ist das ein Zeichen dafür, dass Sie die Dinge lockerer sehen als andere?

Vielleicht gelassener. Ich habe 25 Jahre in der Opposition und damit nicht selten für den Papierkorb gearbeitet. Jetzt habe ich Chance mitzuhelfen, die Probleme des Landes zu lösen und ich kann an einer wichtigen Stelle mitgestalten, damit NRW wieder an die Spitze in Deutschland rückt. Das gibt Stärke und Gelassenheit. Manchmal kommt auch der alte Fraktionsvorsitzende in mir durch. Ich kenne alle Tricks.

Gibt das Genugtuung?

Nein. Ich kenne die Methoden und Spielarten der Opposition und ich erkenne vieles wieder, was wir selber in vergleichbarer Position gemacht haben. Das amüsiert mich eher. Vielleicht ist es Genugtuung zu zeigen, dass man mit transparenter und offener Politik mehr erreichen kann, als mit einer Politik, die trickst und täuscht.

Wenn Sie Oppositionspolitiker wären – mit welcher Rede würden Sie auf den Finanzminister Linssen reagieren?

Ich würde auf einige kritische Punkte im Haushalt hinweisen und Deckungsvorschläge entwickeln.

Was würden Sie ansprechen?

In der Opposition kann man immer leicht Forderungen aufstellen wie zum Beispiel: Stellt 300 Betriebsprüfer neu ein, dann habt ihr 110 Millionen Euro Steuereinnahmen mehr. Als Finanzminister sage ich, dass so etwas nicht möglich ist.

Gegen Kürzungen im NRW-Landesjugendplan haben 500.000 Menschen unterschrieben. Berührt Sie das?

Natürlich berührt mich das. Zu solchen Initiativen gehört auch viel ehrenamtliches Engagement. Ich ärgere mich aber gerade über die unwahren Vorwürfe der Opposition im Kinder- und Jugendbereich. Wir geben 250 Millionen Euro mehr aus als die alte Landesregierung. Sicher, wir haben bei den Kindergärten nur das Niveau des Vorjahres erreicht...

...Sie hatten im Wahlkampf 20 Millionen Euro mehr versprochen. Wie erklären Sie den Betroffenen, dass dieses Geld jetzt nicht da ist, dafür aber Reiterstaffeln angeschafft werden?

Ich antworte darauf so: Wir geben für Schulen, gerade für Ganztagsschulen wesentlich mehr Geld aus. Die Schulen werden in diesem Haushalt absolut privilegiert. Auch die Jugendverbände gehören zu denen, denen es insgesamt noch gut geht – sie bekommen genauso viel wie im Vorjahr. Wenn man berücksichtigt, dass alle anderen weniger Geld bekommen, relativieren sich viele Beschwerden.

Dennoch: Warum müssen dann Dinge wie Reiterstaffeln und mehr Geld für die Landwirtschaftskammern sein?

Über 250.000 Euro für die Reiterstaffeln bei der Polizei kann man streiten. Die Staffeln erhöhen aber das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung und das war uns diesen Betrag wert. Die Landwirtschaftskammern hätten vor dem Aus gestanden, wenn wir ihnen nicht geholfen hätten. Es führt aber auch kein Weg daran vorbei, dass die Kammern in den kommenden Jahren weitere Einsparungen bringen müssen. Der Vorwurf der Klientelpolitik ist deshalb absolut daneben. Die Opposition hat ihren Weg noch nicht gefunden. Sie merkt, dass die konsequente Konsolidierungspolitik ein Markenzeichen dieser Koalition wird. Und sie spürt, dass wir in wenigen Jahren wieder finanzielle Spielräume haben werden. Das dürfte der Opposition nicht gefallen.

Sie begehen jetzt Grausamkeiten und verteilen vor der nächsten Wahl Geschenke?

Wir haben bis 2010 drei Milliarden einzusparen, um die Kreditverfassungsgrenze wieder einzuhalten. Die Herausforderung bleibt bestehen. Es führte gar keinen Weg daran vorbei, diese Aufgabe sofort anzugehen.

Sind Sie ein Konservativer?

Wenn Sie damit meinen, dass wir Wohltaten nicht auf Pump verteilen und eben nicht auf Kosten unserer Kinder leben, bin ich ein Konservativer. Wir können nur das Geld ausgeben, was wir haben. Unser langfristiges Ziel ist es, in der nächsten Legislaturperiode die Neuverschuldung auf Null zu bringen.

Ein Weg dahin führt über Personalkürzungen. Sie streiten deshalb seit langem mit Ver.di. Haben Sie überhaupt noch Interesse an einem flächendeckenden Tarifvertrag im öffentlichen Dienst?

Ich habe durchaus Interesse an einem flächendeckenden Tarifvertrag. Es laufen viele informelle Gespräche.

Ver.di macht im Tarifstreit einen schwachen Eindruck. Kritiker sagen, Sie wollten die Gewerkschaft demütigen.

Ich bin in der Politik durch viele Höhen und Tiefen gegangen. Die Erfahrung lehrt, dass man sich im Leben immer zweimal sieht. Deshalb bin ich für einen fairen Umgang mit dem Gegner, auch wenn er sich etwas unsortiert darstellt.

Hätten Sie es sich vor zehn Jahren vorstellen können, NRW-Finanzminister zu werden?

Ich habe mich als Oppositionsführer viel mit Finanzpolitik beschäftigt. Geträumt habe ich von dieser Aufgabe aber nicht (lacht).

Haben Sie überhaupt noch damit gerechnet, einmal in einer Landesregierung zu sitzen?

Bis zur Landtagswahl 1995 war ich da nicht so optimistisch. Nachdem Johannes Rau aber gegen mich als Spitzenkandidaten seine absolute Mehrheit verloren hatte, habe ich Morgenluft gewittert. Ich hätte mir aber den Erosionsprozess der SPD schon für das Jahr 2000 stärker erhofft. Dass die SPD 39 Jahre regiert hat, erscheint jedem aufrechten Demokraten zu lang.

Also ist die CSU in Bayern reif nach mehr als fünf Jahrzehnten an der Macht?

Es kommt ja auch immer darauf an, ob sich eine Regierungspartei selbst erneuert oder ob sie eine Personalpolitik betreibt, die von parteipolitischem Nepotismus geprägt ist.

Welche Politik muss die CDU machen, um 2010 nicht wieder abgewählt zu werden?

Erstens: Den Menschen das Gefühl geben, dass wir für alle da sind. Zweitens: Sich an der Regierung nicht anders benehmen als jeder normale Mensch. Drittens: Schluss machen mit unsoliden Finanzen. Viertens: Für mehr Arbeitsplätze sorgen. Fünftens: Das Land bei Pisa wieder an die Spitze bringen. Wir müssen in Stil und Inhalt überzeugen. Wir müssen klar sein in unserer Haltung – und dürfen nicht populistisch schwanken. Es darf nicht der Recht bekommen, der am lautesten schreit.

Klar sein und nicht schwanken – ist das wirklich die Stärke von Jürgen Rüttgers!?

Der Ministerpräsident und das Kabinett kennen diese Aufgabe und verhalten sich entsprechend.

Was ist Ihre Aufgabe im Kabinett? Den Geldsack zu halten und die Kollegen im Zaum?

Es ist erfreulich, dass wir harmonisch zusammen arbeiten – gerade bei der Haushaltskonsolidierung. Für manche mag das zu geräuschlos ablaufen.

Früher war die CDU in NRW meistens heillos zerstritten. Ist das jetzt vorbei?

Ich war 1987 Generalsekretär von Norbert Blüm. Seitdem haben wir die Einigung der Partei vorangetrieben, und sie ist geglückt. Das ist auch ein Verdienst von Jürgen Rüttgers.

Haben Sie gezögert, als Ex-Spitzenkandidat unter Rüttgers zu arbeiten?

Nein. Ich habe sehr schnell ja gesagt. Ich will, dass die Bayern unseren heißen Atem wieder im Nacken spüren.

Die nächste Etappe auf dieser langen Aufholjagd ist der Haushalt 2007. Geht es dann weiter mit Sparen und Kürzen?

Die meisten Förderprogramme haben wir bereits jetzt auf die zukünftigen Volumina ausgerichtet. Da sehe ich aktuell nicht mehr viel Spielraum. Im kommenden Jahr geht es vor allem um Strukturveränderungen und Personalabbau. Wir brauchen eine moderne und effiziente Verwaltung. Der Staat muss sich von Aufgaben trennen, die andere im Zweifel auch besser erledigen können. Einigen geht das nicht schnell genug, anderen geht das zu schnell. Wir haben einen Kurs eingeschlagen, der Strukturen nicht zerschlägt, Zeit für notwendige Umstrukturierungen gibt und Wachstum nicht gefährdet.

Wird der Sozialbereich beim nächsten Mal geschont?

Auch der Haushalt 2007 wird mit sozialer Sensibilität aufgestellt. Es gibt keine Pauschalkürzungen bei Förderprogrammen.

Ihre Hobbys sind Moderne Kunst und Schafe züchten. Hilft das irgendwie in der Politik?

Wer einen Schafstall ausmisten kann, hat viel gelernt.