: Möglich ist es, aber nicht sicher
SCHWEIZ Experten schließen nicht aus, dass Palästinenserführer Arafat 2004 mit Polonium vergiftet wurde
AUS RAMALLAH SUSANNE KNAUL
Ein Expertenteam der Universität in Lausanne hält die Ermordung des früheren Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat nicht für ausgeschlossen. Einen Tag, nachdem der Fernsehsender Al-Dschasira den Untersuchungsbericht im Internet veröffentlichte, stellten sich die Radiophysiker am Donnerstag der Presse. Das Ergebnis bleibt aber vage.
Einerseits fanden die Wissenschaftler eine „unerwartet große Menge an Polonium“, andererseits wollen sie die Aussage, dass der Tod Konsequenz einer Vergiftung mit Polonium 210 war, nur „bedingt“ unterstützen. Vor gut zwei Wochen hatte ein russisches Expertenteam jede Möglichkeit einer Vergiftung ausgeschlossen. Die Körperproben hätten keine Spuren des tödlichen Gifts aufgewiesen, hieß es in dem Bericht aus Moskau.
Die Ergebnisse einer dritten Untersuchung, die derzeit in Frankreich vorgenommen wird, steht noch aus. Bereits vor zwei Jahren fand das Institut de radiophysique an der Universität von Lausanne an Arafats Zahnbürste, seiner Unterwäsche und dem Krankenhauskäppi eine vergleichbar hohe Poloniummenge, wie sie 2006 den russischen Regimekritiker Alexander Litwinenko ums Leben brachte. Die Witwe des Verstorbenen, Suha Arafat, hatte die Exhumierung schließlich vorangetrieben. Sie hegt erklärtermaßen keine Zweifel mehr daran, dass Israel Arafat auf dem Gewissen habe.
Problematisch war, dass die zahlreichen Untersuchungen an dem Patienten Arafat zu keiner klaren Diagnose führten. Trotzdem lehnte die Witwe zunächst eine Autopsie ab. Auch die palästinensische Führung drängte keineswegs darauf. Das Verhältnis zwischen der Familie Arafat und der palästinensischen Führung war sehr angespannt, was sich in Arafats letzten Wochen noch verschärfte. Eine Delegation palästinensischer Politiker, die Arafat in Frankreich besuchte, nannte Soha „eine Bande, die nach Paris kommen will, um Arafats Erbe zu erschleichen“.
Arafat begann am 12. 10. 2004 unter „akuten Magen-Darm-Beschwerden“ zu leiden, die einen Monat später zu seinem Tod führten. Die anfänglichen Symptome und die anschließende „schrittweise Verschlechterung des Gesamtzustands“ geht laut dem Bericht zusammen mit der „Aufnahme großer Mengen von Radioaktivität“.
Die Schweizer Experten gehen in ihrem Bericht detailliert auf die untersuchten Gegenstände und Körperproben ein. Mehrere Kapitel befassen sich zudem mit Erläuterungen zur Vorgehensweise sowie einer Liste von Argumenten für und wider die Mordthese durch Polonium 210. Die Tatsache, dass „nicht alle Symptome akuter Radioaktivität“ vorhanden gewesen seien, spreche gegen eine Vergiftung“, heißt es. Ferner blieben die „akuten Verdauungssymptome ungeklärt“. Ein Argument für die Vergiftungstheorie sei, dass „alle anderen toxischen Untersuchungen negativ ausfielen“.