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Archiv-Artikel

BP redet Ölpest-Schäden klein

ÖLKATASTROPHE Das Saugrohr am lecken Bohrloch fängt angeblich 40 Prozent des Öls auf. BP-Chef rechnet mit nur geringen Auswirkungen für die Natur. Umweltschützer: Desaster

„Fakt ist: Man kann in der Natur nicht alles reparieren“

Stephan Lutter, Meeresschützer

VON JENS KLEIN

Das Saugrohr, mit dem der Ölkonzern BP im Golf von Mexiko Öl aus dem beschädigten Bohrloch zu einem Spezialschiff befördert, arbeitet offenbar besser als erwartet. Zumindest pumpt der Konzern damit nach eigenen Angaben täglich fast 320.000 Liter Öl ab. Das ist doppelt so viel, wie BP noch am Montag geschätzt hatte, und entspricht etwa 40 Prozent der täglich ins Meer strömenden Menge. Seit der Explosion der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ am 20. April sind bereits Millionen Liter Öl in den Golf von Mexiko gelaufen. Den Ölfluss komplett zu stoppen, wird laut BP noch mindestens bis Ende der Woche dauern. Derzeit werde daran gearbeitet, das Loch zu stopfen und zuzubetonieren. Bislang hat die Ölpest den Konzern mehr als 500 Millionen Dollar gekostet. Zudem gingen bei BP wegen des Unglücks im Golf von Mexiko rund 15.600 Beschwerden ein, von denen mehr als 2.700 über Entschädigungszahlungen geregelt wurden.

BP-Chef Tony Hayward rechnet insgesamt nicht mit gravierenden Umweltschäden durch die Ölpest. Er denke, dass die „Auswirkungen nur sehr, sehr bescheiden sein werden“, sagte Hayward am Dienstag im US-Fernsehen. Zudem sei sein Konzern ein sehr großes Unternehmen mit hinreichenden Mitteln, die Kosten aus diesem Vorfall zu bewältigen, so Hayward.

Der WWF-Meeresschutzexperte Stephan Lutter hält Haywards Aussagen für völlig deplatziert. „Wenn jemand so redet, scheint er Umweltauswirkungen nur mit einer Art technischem Verstand zu betrachten und nicht mit einem ökologischen“, sagte Lutter zur taz. Man dürfe auch nicht glauben, alles in der Natur reparieren zu können. Allein die eingeschränkte oder gestoppte Produktivität des Planktons in dem betroffenen Meeresabschnitt sei schon eine Katastrophe, weil es die gesamte Nahrungskette im Meer betreffe. Zudem könne nicht abgeschätzt werden, welche Schäden die Chemikalien verursachen, mit denen das Öl zersetzt wird.

Insgesamt könnten nach Ansicht des WWF bis zu 600 Arten unter der Ölpest leiden, wenn sich der Ölteppich entlang der Küste Louisianas bis nach Florida ausbreitet. Die Situation wird dadurch verschärft, dass derzeit für viele Tiere die Brut- oder Laichsaison läuft. „Einige Populationen werden diesen Aderlass durch das Öl auch in kommenden Jahren nicht wieder wettmachen können“, sagte Alfred Schumm. Der Leiter des Internationalen WWF-Zentrums für Meeresschutz denkt dabei etwa an die rund 2.000 Brutpaare des Braunen Pelikans, die im Vogelschutzgebiet Breton National Wildlife Refuge in der Krisenregion nisten. „Wenn die Elterntiere bei der Nahrungssuche verölen, bleiben die Küken zurück und verhungern“, sagte er.

US-Präsident Barack Obama will nun eine unabhängige Kommission zur Untersuchung der Ölpest einberufen. Sie wird von Obama persönlich eingesetzt und soll ihm direkt unterstehen. Die Kommission kann Anhörungen einberufen und Zeugenaussagen der wichtigsten Verantwortlichen erzwingen.