: „Ich vertraue den Grünen“
INTERVIEW GEORG LÖWISCHUND KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
taz: Frau Roth, Schwarz-Grün in Frankfurt steht. Bekommen Sie jetzt viele aufgeregte Anrufe aus der CDU?
Petra Roth: Nein. Es ist alles ruhig. Wir haben keine Parteiaustritte, wir haben keine Proteste. Die Frankfurter sehen das sehr sachbezogen.
Und außerhalb Frankfurts?
Bei der Kreisgeschäftsstelle sind zwei Briefe von CDU-Mitgliedern aus dem Hintertaunus eingegangen. Die haben geschrieben, was sie von der Koalition halten, und wir haben das eben zur Kenntnis genommen.
Was haben Ihre Parteifreunde, Hessens Ministerpräsident Roland Koch und Kanzlerin Angela Merkel, gesagt?
Ich habe schon nach der Wahl im März mit Herrn Koch gesprochen und auch mit Frau Merkel in Berlin. Sie haben beide gesagt: „Das ist Ihre Sache.“ Da ich zur CDU gehöre, war es mir natürlich wichtig, mit dem Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin die Richtung abzustecken. Wir haben dann zuerst Koalitionsgespräche mit der SPD begonnen und von Anfang an gespürt, dass da das Vertrauen fehlt.
War Roland Koch nicht irritiert, dass Sie keine klare Aussage für einen Flughafenausbau gemacht haben?
Nein, denn er ist doch ein Profi. Wir haben als CDU in Frankfurt nie die Position verlassen, dass der Flughafen ausgebaut werden muss. Das Verfahren für den Ausbau ist auch keine Sache der Stadt. Frankfurt hat eine Stellungnahme abgegeben, der Planfeststellungsbeschluss wird in diesem Jahr ergehen, dann werden wohl Klagen kommen. Aber die Stadt ist dafür nicht zuständig.
Der Stadt gehören doch 20 Prozent des Flughafengesellschaft.
Der Aufsichtsrat, in dem wir als Anteilseigner vertreten sind, hat den Vorstand schon vor langer Zeit beauftragt, den Ausbau anzugehen, und zwar einstimmig. Das war der administrative Prozess. Was die politische Frage betrifft: Wir wollen als CDU den Ausbau, die Grünen wollen ihn in anderer Form. Diese Positionen stehen sich nach wie vor gegenüber. Im Koalitionspapier ist festgelegt, dass die CDU-Parlamentarier in der Stadtverordnetenversammlung keinem Ausbauantrag zustimmen werden und die Grünen keinem gegnerischen Antrag. Wir enthalten uns.
Der CDU insgesamt nützt es, wenn die schwarz-grüne Option eingeführt wird. Hat Sie das Wohlwollen aus Berlin ermuntert, das Bündnis zu wagen?
Nein, da sind wir viel zu selbstbewusst. Wir sind eine große Kommune. Es gibt nur drei, vier andere Städte in Deutschland, in denen die kommunalpolitischen Entscheidungen den Standort Deutschland betreffen. Der Flughafen und der Finanzplatz mit den Hochhäusern sind inklusive der Sicherheitsmaßnahmen nationale Fragestellungen.
Also ist Schwarz-Grün etwas ganz Normales?
Diese Koalition ist eine Koalition des Realismus. Zudem haben Sie ja in Kiel eine schwarz-grüne Koalition, Sie haben in Köln, in Kassel und in Saarbrücken eine gehabt.
Gehabt. Wie lautet das Haltbarkeitsdatum für Ihr Bündnis?
Ich schließe nur einen Vertrag, wenn ich davon ausgehe, dass das auch hält, was ich mit meinem Namen unterschreibe. Grundlage ist das Vertrauen, das in den vergangenen Jahren gewachsen ist.
Ganz so stark scheint das Vertrauen nicht zu sein. Sie wollen noch die FDP einbinden, sie soll ihren Baudezernenten behalten.
Die FDP soll ein Mandat im Magistrat behalten, was sozusagen auf dem Ticket der CDU läuft. Der hauptamtliche Magistrat wird neben mir neun Sitze haben, die Grünen bekommen drei, die CDU sechs. Von den sechs geben wir einen Sitz an die FDP ab. Wir bieten an, mitzuarbeiten und dafür die Beschlüsse von Schwarz und Grün mitzutragen. Aber die FDP wird nicht fest zur Koalition gehören.
Wenn Ihre Oberbürgermeisterkollegin im schwarz-grünen Kiel über die Grünen redet, klingt das fast nach Zuneigung. Wie sehr mögen Sie die Grünen?
Dass wir uns angenähert haben, liegt allerdings auch an gewachsener Sympathie und vor allem am Vertrauen. In den vergangenen Jahren hat sich aus der Viererzusammenarbeit von CDU, SPD, Grünen und FDP eine schwarz-grüne Vertrauensbasis entwickelt. Die Grünen halten Absprachen ein.
Kommen wir wieder zu Ihrer Partei. Halten Sie einige in der CDU nicht für etwas zurückgeblieben?
Ich bitte Sie … Ich möchte, dass wir hier in Frankfurt Vorbild sind. Nehmen Sie die Integrationspolitik. Nach Frankfurt kamen viele der ersten so genannten Gastarbeiter, und heute sind wir die Stadt mit den meisten Ausländern. Viele sind der CDU zugeneigt. Ich habe deshalb vor Jahren mit Bundeskanzler Kohl über den Handlungsbedarf gesprochen. Damals sagte er: „Da sieht es in der Fläche in Deutschland anders aus als in Frankfurt. Das muss von Ihnen kommen.“ Daraufhin haben wir uns hier intensiv zur Integration beraten. Solche Aufgaben sind in Frankfurt immer früher angedacht worden als anderswo.
Nervt es Sie dann nicht, wenn in Wahlkämpfen die Ausländerkarte gespielt wird?
Ich lehne es ab und finde es nicht gut, den Eindruck von Diskriminierung zu vermitteln. Da bestehen in einem Wahlkampf Gefahren. So wie beim Zuwanderungsrecht. Es wird über Sachen gesprochen, die der Gesetzgeber vorgibt. Aber solche Aussagen werden oft interpretiert, als ob derjenige, der noch keinen deutschen Pass hat, kein vollwertiger Mitmensch ist. Das ist eine Auswirkung, die tut mir weh. Man muss da behutsam vorgehen und viel erklären.
Schwarz-Grün will auch Menschen, die ohne Aufenthaltsgenehmigung in Frankfurt leben, näher kommen: mit Zugang zur Schule und zum Gesundheitssystem. Hat es da kein Gegrummel in der CDU gegeben?
Wir haben 100 Prozent Zustimmung zur Koalitionsvereinbarung gehabt. Diese Frage wurde zwar aufgeworfen, aber dazu hat der Vorsitzende der CDU Frankfurt erklärt, dass es eine Arbeitsgruppe geben soll. Sie wird diese Probleme auflisten. Ich denke vor allem an die Kinder – die können nichts dazu. Ich bin überzeugt, dass wir sie in die Schule schicken und ausbilden sollten. Das hat mit der Würde der Menschen zu tun. Da müssen Lösungen gefunden werden.
In der Drogenpolitik haben Sie die kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige in Frankfurt durchgesetzt. Als die CDU-Gesundheitsministerin in Baden-Württemberg das kürzlich vorschlug, bekam sie Ärger mit Parteifreunden. Entwickelt sich die CDU zu langsam?
Schon 1993, als ich OB-Kandidatin war, ging es darum: Dealer in die Hände der Polizei, Kranke in die Hände der Ärzte. Damals hatte Wolfgang Schäuble bei einem Besuch festgestellt: „Wenn Petra Roth das sagt, muss man es respektieren, weil sie weiß, was vor Ort vorgeht.“ Später habe ich im Präsidium des Städtetags erreicht, dass es da keine generelle Linie gibt, sondern die Städte frei entscheiden können. Es geht um therapieresistente Patienten, die betreut werden in einem Modellversuch. Damit die Sucht geringer wird, die Beschaffungskriminalität wegfällt und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben wieder möglich ist.
Sie sind jetzt so lange Stadtoberhaupt wie sonst in Frankfurt niemand in den letzten 60 Jahren. Gelegentlich klagen Sie darüber, dass sie zu wenig Kompetenzen haben und dass die Geldknappheit die Spielräume einschränkt. Gefällt Ihnen Ihr Job noch?
Mir gefällt meine Arbeit sehr. Gerade mit dem neuen Koalitionsvertrag. In den vergangenen elf Jahren gab es Kooperationen, wechselnde Mehrheiten und zuletzt den Vierer. Die Partner erkennen an, dass wir etwas gemeinsam unternehmen, und wir verfügen nun über die demokratische Mehrheit. Ich werde meine Funktion als Vorsitzende des Magistrats nutzen.
Was heißt das?
Es wird mehr Entscheidungskraft geben und wir werden schneller zu Lösungen kommen, als dies vorher der Fall war.
Sie haben nur ein paar Monate Zeit, das zu beweisen. 2007 wollen Sie als Oberbürgermeisterin wiedergewählt werden. Zählen Sie auf die Unterstützung der Grünen?
Wir haben nichts dergleichen vereinbart.
Sympathische Frau, starke Frau – so was hat Ihnen im Wahlkampf immer genutzt. Sind solche Attribute inzwischen verbraucht?
Nichts da. In Frankfurt hat es nie einen Frauenbonus gegeben. Wenn Sie hier Oberbürgermeisterin sind, spazieren Sie nicht durch einen Rosengarten. Es gibt keine Stadt, wo Sie an so vielen Fronten stehen.
Aber es kam Ihnen doch nicht ungelegen, wenn über Sie geschrieben wurde, dass Sie gern Tennis spielen und Ski fahren wie eine Göttin?
Vielen Dank für das Lob. Ich lese allerdings lieber in der Zeitung, dass ich in dieser Stadt viele Probleme in den Griff bekommen habe. Denn das stimmt auch.