Heuschrecken an die Leine

FINANZMÄRKTE EU-Finanzminister stimmen für strengere Kontrollen für Hedgefonds. Warnung aus den USA

„Wir müssen sicherstellen, dass alle Länder Mindeststandards erfüllen“

SVEN GIEGOLD, GRÜNE

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Es dauerte gestern nur wenige Minuten, dann war die „Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds“ im Finanzministerrat abgenickt. Sie soll Manager der als hochspekulativ in Verruf geratenen Hedgefonds in der EU strenger kontrollieren. Großbritannien hatte den seit April 2009 vorliegenden Entwurf der EU-Kommission ein Jahr lang blockiert.

80 Prozent dieser Fonds sind in London angesiedelt. Drei Viertel davon haben ihren Hauptsitz aber in einem der Steuerparadiese. Deshalb fürchtete die Labour-Regierung, diese lukrativen Kunden könnten ganz in weniger streng kontrollierte Finanzzonen abwandern. Noch im März hatte die spanische Ratspräsidentschaft das Thema auf britischen Druck wegen der anstehenden Wahl von der Tagesordnung genommen. Doch vergangenen Freitag rief der neue konservative Finanzminister George Osborne seine spanische Kollegin an und signalisierte, dass sich die neue britische Regierung nicht länger sperren werde.

Dieser Entschluss wurde wohl dadurch beflügelt, dass andere Mitgliedsländer Druck auf die spanische Ratspräsidentschaft ausgeübt hatten, nicht länger den Konsens zu suchen. Ein Vetorecht gibt es in dieser Frage nicht, die qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten reicht aus. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte gestern in Brüssel beim Finanzministertreffen: „Ich glaube, dass Großbritannien das einsieht. Das ist so in Europa: Wir sind eine Gemeinschaft, und da gibt es auch Entscheidungen gegen ein einzelnes Mitgliedsland.“

Doch damit ist nur die erste Hürde für das Gesetz genommen. Bereits am Montagabend hatte der Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments über die Richtlinie abgestimmt und sie gegenüber dem Kommissionsentwurf verschärft. Nachbesserungsbedarf sieht das Parlament vor allem bei den Regeln, die für Manager gelten sollen, deren Fonds außerhalb der EU angesiedelt sind. Der Rat will, dass diese Fonds nach den Mindeststandards des Mitgliedstaates kontrolliert werden, in dem sie tätig werden. Das EU-Parlament will einheitliche europäische Mindeststandards für alle ausländischen Fonds. „Sonst würden die Briten ihre Steueroasen auf den Inseln in Ruhe lassen und damit die einheitliche Regelung unterlaufen“, sagte der grüne Finanzexperte Sven Giegold der taz. „Wir müssen sicherstellen, dass alle Länder, die Produkte auf den europäischen Markt bringen wollen, einheitliche Mindeststandards erfüllen müssen.“ Widerstand gegen die Vorschläge des EU-Parlaments kommt aus den USA. Im März hatte US-Finanzminister Timothy Geithner in einem Brief an die EU-Kommission vor „transatlantischen Spannungen“ gewarnt, falls diese „protektionistischen“ und US-Fonds „diskriminierenden“ Regeln Gesetz werden.

Am 31. Mai beginnen die Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und EU-Kommission. Giegold ist optimistisch, dass sich das Parlament mit seinen Forderungen durchsetzen kann. „Letztlich ist der öffentliche Druck entscheidend. Weder die Bundesregierung noch andere Mitgliedstaaten können es sich derzeit erlauben, gegen die wirksame Kontrolle zu sein, die sie selbst ständig öffentlich einfordern.“ Auch Schäuble glaubt an eine rasche Einigung – aber im Sinne des Rates. Es sei ausreichend, die Zulassung und Beaufsichtigung der Manager durch die jeweilige nationale Aufsichtsbehörde abzuwickeln. Sollte ein Fonds in mehreren Mitgliedsstaaten angesiedelt sein, würden die nationalen Behörden eben eng zusammenarbeiten.

Bereits am Freitag treffen sich die Finanzminister erneut in Brüssel. Unter Leitung von EU-Präsident Herman Van Rompuy wollen sie darüber beraten, wie die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten enger abgestimmt werden kann. Ein Vorschlag der EU-Kommission, die Haushalte der Mitgliedstaaten auf EU-Ebene zu diskutieren, bevor sie den nationalen Parlamenten vorgelegt werden, hatte in den Hauptstädten vergangene Woche für Aufregung gesorgt. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker sieht die Sache weniger dramatisch. „Wenn ein Land x die Steuern senkt und ein Land z sie erhöht, wollen wir die Auswirkungen auf die Währungszone diskutieren – das ist alles. Das beschneidet in keiner Weise das Haushaltsrecht der Parlamente.“