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Archiv-Artikel

Resterezepte – nicht für die Tonne

ESSEN Die erfolgreichste App der Bundesregierung soll die Menge an Weggeworfenem reduzieren

Als Angela Merkel im Juni dieses Jahres das Internet als Neuland für sich entdeckte, war das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) schon weiter. Eine von dem Ministerium an der Universität Stuttgart in Auftrag gegebene Studie kam im März 2012 zu dem Ergebnis, dass 61 Prozent der Lebensmittelabfälle in Deutschland auf Privathaushalte entfallen. Pro Kopf schmeißen wir jährlich 82 Kilogramm in den Müll. Auf Großverbraucher wie Kantinen und Gastronomie entfallen ebenso wie auf die Industrie lediglich 17 Prozent. Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner sah sich veranlasst, zu handeln.

Zeitgleich zur Veröffentlichung der Studie rief sie eine breit angelegte Kampagne ins Leben, die die Verbraucher zu einem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln anhalten soll. Auf der Internet-Plattform zugutfuerdietonne.de werden seitdem Informationen über die Gründe der Lebensmittelverschwendung und praktische Handlungsanleitungen für deren Vermeidung gebündelt. Die Informationskampagne hat zwar laut Ministerium in zwei Jahren 1,3 Millionen Euro gekostet, die zugehörige App wurde aber auch über 475.000 mal heruntergeladen und gilt damit als die bisher populärste App der Bundesregierung.

Endverbraucher sollen lernen, überlegt einzukaufen, ihre Vorräte richtig zu lagern und dann möglichst effizient zu Gerichten zu verarbeiten. Knapp 250 Rezepte von Sterneköchen, prominenten Kochpaten wie Daniel Brühl oder Ilse Aigner höchstpersönlich, sollen helfen aus übrig gebliebenen Lebensmitteln leckere Restegerichte und pfiffige Beilagen aus wenigen Zutaten zuzubereiten und den Einkauf zu planen. Soweit so praktisch.

Allerdings kam die Untersuchung der UN-Welternährungsorganisation FAO, Global food losses and food waste, im Jahr 2011 zu einer ganz anderen Problemlage, wenn die Landwirtschaft mit einbezogen wird: Demnach entfallen beim EU-Lebensmittelschwund pro Kopf 95 Kilogramm auf die Konsumenten und 186 auf landwirtschaftliche Produktion und Händler. Die App des Ministeriums greift leider nur bei der Verantwortung des Verbrauchers an.

LUKAS BÖCKMANN