: Maut hier, Maut da
GROSSE IDEEN IM PRAXISTEST Eine ungeschönte Vorschau auf die europäische Autobahnsaison 2014
Jahresende 2013: In Deutschland beschließt die Große Koalition Ende November Seehofers „Ausländermaut“ auf Autobahnen. Deutsche Autobesitzer bekommen alle per Post ein Wapperl für die Autobahn-Nutzung zugesandt und müssen zwangshalber 100 Euro bezahlen. Dafür wird die Kfz-Steuer reduziert. Leider hat man übersehen, dass viele Behinderte von der Kfz-Steuer befreit sind. Finanzminister Gabriel schlägt zu ihrer Entlastung einen „Rollirabatt“ vor, eine einmalige Rücküberweisung von 85 Euro an Schwer- und 52,50 Euro an weniger schwer Behinderte. Die 8.000 Elektrofahrzeuge, die ebenfalls von der Kfz-Steuer befreit sind, hat man leider auch verschusselt. Gabriel genehmigt ihnen einen halben Rollirabatt von 40 Euro.
Januar 2014: Viele Deutsche wollen aber gar nicht auf der Autobahn fahren, sie verzocken ihr Wapperl an Ausländer über eBay. Das passiert leider zehntausendfach. Berlin beschließt, dass neben dem Wapperl jeder Ausländer künftig auch eine Quittung des rechtmäßigen Erwerbs mitführen muss. Auf dem Europäischen Verkehrsrechtstag in Trier wettern Juristen gegen diese massive Ausländerdiskriminierung und kündigen Klagen an.
Februar 2014: Österreich pocht auf gleiches Recht in der EU und reduziert seine Normverbrauchsabgabe (NoVA) für heimische Autobesitzer und erhöht dafür – auf Druck der Presse und der Freiheitlichen Partei – die Maut für Ausländer. Der sogenannte Piefkezuschlag tritt am 15. März in Kraft. Ein „Piefkerabatt“ wird denjenigen Touristen eingeräumt, die mehr als drei Nächte in dem schönen Land verbringen und einen entsprechend abgestempelten Nachweis an den Wapperl-Kaufstellen an der Grenze vorlegen.
März 2014: Nach deutschem Vorbild erheben nun auch die Benelux-Länder eine Maut, die vor allem Nordrhein-Westfalen trifft. In Belgien kann man sich nicht auf ein landesweites „Wapperl“ zwischen Flamen und Wallonen einigen, nach langem Streit verständigt man sich auf zwei getrennte Abzeichen. Schlecht auch, dass diese Länder immer gleich eine Jahresvignette und keine Tages- oder Monatstarife erheben. Doch dazu wäre der Verwaltungsaufwand zu hoch. Der Bundesrechnungshof hat inzwischen in Deutschland den Wapperl-Aufwand inklusive Sonderregelungen für Behinderte, Elektrofahrzeuge sowie Rückzahlungen und Kontrolle der Quittungen bei Ausländern als „bürokratische Imbezillität“ bezeichnet.
April 2014: Die Dänen legen los. Die bisher ziemlich hohe Umweltabgabe beim Pkw-Kauf wird gesenkt, dafür kommt die „Tyske“-Maut. Proteste in Schleswig-Holstein verpuffen, Blockaden an der Grenze löst die dänische Polizei mit Wasserwerfern auf. Für Touristen gibt es Nachlass.
Mai 2014: Auch die deutsche Tourismusbranche setzt nun endlich einen Maut-Nachlass, den „Betten-Bonus“, für jene Ausländer durch, die in Deutschland mehr als fünf Tage übernachten. Der zusätzliche Verwaltungsaufwand fällt schon nicht mehr ins Gewicht.
Juni 2014: Mehrere tausend Mauterheber und -erfasser in ganz Europa, die gewerkschaftlich organisiert sind, drohen vor der Urlaubssaison mit Streiks. Die nun fälligen Lohnerhöhungen fressen die noch vorhandenen Restgewinne der „Ausländermaut“ vollständig auf.
Juli 2014: Ein mit drei Insassen besetzter Pkw aus Hagen mit „Wapperln“ aus Österreich, der Schweiz, Belgien, Dänemark und Deutschland verunfallt schwer am Kamener Kreuz wegen eingeschränkter Sicht durch die Frontscheibe. HELMUT HOLZAPFEL
MANFRED KRIENER