Das Glück in der Banalität

Der polnische Bildhauer Miroslaw Balka stellt in der NRW-Kunstammlung K21 sechs Videoarbeiten vor. Lapidar und mit leiser Ironie werfen sie einen Blick auf die unscheinbaren Bilder des Alltags

AUS DÜSSELDORF KATJA BEHRENS

Der doppelte Flammenkranz ist unermüdlich in Bewegung. Das Flackern der Gasflammen und die Hand des Künstlers lassen das Bild nicht zur Ruhe kommen. Von oben auf zwei rechteckige Salzlager projiziert, reflektiert diese Installation nicht allein die Entstehungsbedingungen der Videoarbeit, sondern gleichzeitig auch die Assoziationen, die das zischende und vermeintlich unschuldig flackernde Gas beim Betrachter auslösen.

Miroslaw Balka, geboren 1958 in der polnischen Kleinstadt Otwock und längst ein international beachteter Künstler, hat die Flammen des Gasherdes mit der Handkamera gefilmt – indem er sich darüber beugte. Naturgemäß wird das recht bald zu heiß. So läuft der Film „BlueGasEyes“ parallel und unmerklich in einer Schlaufe, entfaltet in all seiner Schönheit eine fast bedrohliche hypnotische Macht. Ganz ähnlich wie der Blick in die Kloschüssel eines fahrenden Zuges: „The 3rd Eye“ (2005).

Schon bald nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs 1989 wurde Miroslaw Balka in Westeuropa und den USA zu Ausstellungen eingeladen. Auf der documenta, den Biennalen in Venedig und Santa Fe, in Oslo, London, Osaka, Chicago, Amsterdam und Krefeld zeigte er seine minimalistisch einfachen Skulpturen, die menschliche Dimensionen nie überschreiten. Maßstab seines bildhauerischen Werkes ist immer der eigene Körper, gearbeitet wird mit Materialien wie Stahl, Holz, Beton oder Salz. Die Videofilme, die mit einfachster Ausrüstung seit 1998 entstehen, offenbaren die handwerklich- technischen Bedingungen des Filmens, auch den Anteil der eigenen und kollektiven Geschichte als Identifikationsgrundlage: „T.Turn“ (2004) zeigt einen langsamen und doch schwindelerregenden Kameraschwenk an einem landschaftlichen Un-Ort, der seine Bedeutung allein der Tatsache verdankt, daß T. Treblinka bedeutet. Der Film „wydawaloby sie“ (2005) ist Teil einer räumlichen Installation, in der Aufnahme und Wiedergabe übereinander geblendet sind: In eine Ecke projiziert, zeigt er die langsame Kamerafahrt des Auf und Ab entlang einer Ecke. Dort sammeln sich in diffusem Dämmerlicht Hunderte von Insekten zu rätselhaftem Tun. Stimmen aus einer polnischen Fernsehsendung reden über einen unerklärlichen Mord.

Der Mensch als historisches Wesen, so ein Leitgedanke des Künstlers, trägt unweigerlich Geschichte mit sich herum. Und sei es die Geschichte der eigenen Kindheit, seien es die Erinnerungen an das kindliche Staunen beim Blick auf die sich verändernden Landschaften aus rieselndem Sand eines Ostsee-Souvenirs („The Fall“, 2001) oder die aufblitzenden Gedanken bei der Begegnung mit einem wandernden Berg („Narayama“, 2002). Dieser Sandberg, auf der Pritsche eines Lastwagens umhergefahren, erinnerte Balka an die traurige Erzählung einer Tradition am japanischen Berg Narayama, auf den sich alle Siebzigjährigen zum Sterben zurückziehen müssen, damit sie nicht länger der Gemeinschaft zur Last fallen. In den schwarz-weißen Filmstills des Sandhügels, die auf einem kleinen Monitor gezeigt werden, der sonst für Besucher-Informationen genutzt wird, erkennt man durchaus eine poetisch-meditative Dimension.

Das Gewahrwerden trauriger wie auch beglückender Momente in den dümmsten Dingen und banalsten Lebenssituationen, das scheint eine Botschaft dieser Ausstellung zu sein, erfordert nicht bloße Einfühlung, sondern auch die Möglichkeit zur Distanz. Emotional involviert zu sein und gleichzeitig den künstlerischen Blick nicht zu verlieren, dieses Vermögen ist eines der Geschenke, die Miroslaw Balkas Arbeiten dem Betrachter machen.

Bis 10. SeptemberInfos: 0211-8381-600