piwik no script img

Archiv-Artikel

Mit aller Macht fürs rechte Image

VON PASCAL BEUCKER

Gerade erst hat Alfred Neven DuMont seinem Ruf alle Ehre gemacht. „Kleinkrämerei beherrscht die Stadt“, wetterte der 79-jährige Kölner Ehrenbürger wortgewaltig in seinem Haus- und Hofblatt, dem Kölner Stadt-Anzeiger. Die verantwortlichen Politiker in der Domstadt hätten „den Humus, auf dem Gedeihliches entstehen kann, verkommen lassen“, las er den „Herrschaften“ kräftig die Leviten.

Doch so gerne der Verleger und Herausgeber austeilt, so dünnhäutig reagiert er auf Kritik am eigenen Haus – vor allem, wenn es dabei um jenen „Humus“ geht, auf dem sein traditionsreiches Medienimperium bis heute so trefflich gedeiht. Das bekommen in diesen Tagen zahlreiche Journalisten und Zeitschriftenherausgeber zu spüren, die es gewagt hatten, die Familienehre Neven DuMonts mit despektierlichen Anmerkungen zu den Geschäften seiner Vorfahren im Dritten Reich zu beflecken.

Laut Auskunft des Verlagshauses M. DuMont Schauberg, dessen Aufsichtsratschef Alfred Neven DuMont ist, sind insgesamt „inzwischen etwa ein Dutzend einstweilige Verfügungen gegen verschiedene Medien und Personen erlassen worden“. Betroffen sind unter anderem Der Spiegel, die FAZ, die Bild-Zeitung und auch der Journalist des Deutschen Journalisten-Verbandes. Ebenso Ärger hat auch Albrecht Kieser vom in Köln ansässigen Rheinischen JournalistInnenbüro. Sein Fall ist der erste, der derzeit vor Gericht verhandelt wird. Nach einer mündlichen Verhandlung Ende April will heute das Landgericht Köln über Kiesers Widerspruch gegen die gegen ihn verhängte einstweilige Verfügung entscheiden.

Es ist kein einfacher Fall, über den die Pressekammer ihr Urteil sprechen wird. Denn es geht um weit mehr als um die vordergründig zu entscheidende Frage, ob Kieser in einem Beitrag für das kleine Online-Magazin Neue Rheinische Zeitung die Persönlichkeitsrechte Alfred Neven DuMonts verletzt und das Ansehen seiner Familie geschädigt hat: Es geht um die schwierige Suche nach historischer Wahrheit.

Ingo Niebel hat versucht, es Anfang März in der FAZ zu erklären: „Geschichtsklitterung ist die Stiefschwester der Geschichtswissenschaft. Letztere sucht Antworten auf Forschungsfragen zu geben, während der ersteren die Antworten vorliegen, für die sie sich die dazu passenden Fragen ausdenkt. So kann eine tiefe Kluft entstehen zwischen einem lang gehegten Geschichtsbild und den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung.“ Niebel ist der Ausgangspunkt jener Berichte, gegen die Neven DuMont gegenwärtig zu Felde zieht. Der Journalist und Historiker – auch er mittlerweile mit drei einstweiligen Verfügungen überzogen – hatte im Februar auf einem Symposium des Landschaftsverbandes Rheinland in Köln über Recherchen berichtet, in denen er Grundstücksgeschäften der Neven DuMonts in der Zeit des Nationalsozialismus nachgegangen war. Die Quintessenz seiner Ausführungen brachte anschließend Der Spiegel auf den Punkt: Die traditionsreiche Verlegerfamilie inszeniere sich „gern als Opfer der Nazis“, habe tatsächlich jedoch „zu den Profiteuren der ,Arisierungen‘“ gehört.

„Pseudo-Historiker“

Ein Vorwurf, den das Verlagshaus umgehend empört zurückwies. Und gegen den nun der Firmenpatriarch mit aller Macht juristisch vorgeht. Seine Hausanwälte von der renommierten Kanzlei Linklaters Oppenhoff & Rädler schreiben in ihren Schriftsätzen im Verfahren gegen Kieser von „verleumderischen Behauptungen“ und einer „Kampagne“, bei der es nicht um Information, sondern „einzig und allein darum“ gehe, Neven DuMont „niederzuschreiben“. Denn dieser sei der Gegenseite ein „verhasstes Subjekt“. Niebels Arbeit sei völlig unseriös: „An diesen ,historischen Forschungen‘ ist kein einziges Wort wahr“, heißt es. Zudem sei Niebel nur ein „Pseudo-Historiker“.

Dabei ist der Kern seiner Recherchen unstrittig. Tatsächlich erwarben die Neven DuMonts und die Versorgungskasse des Verlags ab 1938 im Dritten Reich mehrere Grundstücke, die sich zu Beginn der Nazi-Barbarei noch in jüdischem Besitz befunden hatten. Tatsache ist auch, dass diese Grundstücke nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst von den Alliierten mit einem Sperrvermerk versehen worden waren. An der Interpretation dieser Fakten scheiden sich jedoch die Geister. Und das liegt an der Frage, was unter dem Begriff „Arisierung“ zu verstehen ist. Unter Berufung auf die Bonner Historikerin Britta Bopf versteht Niebel darunter „einen Prozess mit unterschiedlichen Phasen und Arten der Ausplünderung zwischen 1933 und 1941/45“. So seien bereits vor der ab 1938 gesetzlich forcierten „Arisierung“ jüdische Bürger in finanzielle Notlagen gebracht worden, die es verhinderten, dass überhaupt noch Geschäfte auf Augenhöhe zwischen Nicht-Juden und Juden stattfinden konnten.

Ganz normaler Kauf?

Die Anwälte Neven DuMonts argumentieren demgegenüber, es käme „nicht darauf an, wie der Begriff ,Arisierung‘ unter Umständen möglicherweise in der Wissenschaft verwendet wird“. In einer presserechtlichen Auseinandersetzung sei vielmehr „alleine entscheidend, wie ein unvoreingenommener Durchschnittsleser den Begriff bzw. den Presseartikel versteht“. Dabei gehen sie von einer Beschränkung des Begriffs „Arisierung“ auf staatliche Repressionsmaßnahmen aus, wie die der Zwangsenteignung. Danach habe es sehr wohl im privatrechtlichen Bereich „normale“ Käufe geben können. Dazu zählten auch diejenigen der Neven DuMonts – auch wenn dabei, wie in einem Fall geschehen, ein staatlich eingesetzter „Abwesenheitspfleger“ anstelle des geflohenen jüdischen Eigentümers den Verkauf tätigte: „Es muss allerdings mit Nichtwissen bestritten werden, dass der eingesetzte Abwesenheitspfleger nicht die Interessen des Herrn Ottenheimer wahrgenommen hat.“

Eine Sichtweise, die Eberhard Reinecke, der Anwalt Niebels und auch Kiesers, für skandalös hält: „Überhaupt daran zu zweifeln, dass ein solcher Pfleger nur und ausschließlich der Verfolgung von Juden diente, ist absurd“, so Reinecke in seiner schriftlichen Erwiderung. Kein vom nationalsozialistischen Staat in eine solch lukrative Position eingesetzte Person habe die Interessen ausgewanderter Juden wahrgenommen. „Das wird im Übrigen auch dadurch belegt, dass offensichtlich niemals versucht worden ist, den Kaufpreis dem Eigentümer zukommen zu lassen.“

Kein souveräner Umgang

Dieser Streit wird sich auch durch das heutige Landgerichtsurteil nicht lösen lassen. Denn er ist kein Fall des Presserechts, sondern der Geschichtsaufarbeitung. Die jedoch steht im Verlagshaus M. DuMont Schauberg bis heute aus. Der Ankündigung vom Februar, einen „unabhängigen, renommierten Historiker“ gewinnen zu wollen, „um die Verlagsgeschichte des Hauses in der Nazizeit differenziert aufzuarbeiten“, sind bisher keine öffentlich sichtbaren Taten gefolgt. So kann den Neven DuMonts weiterhin viel nachgesagt werden. Nur nicht einen souveränen Umgang mit der eigenen Familien- und Verlagsgeschichte.