american pie : Kampf der Schwergewichte
Weil die San Antonio Spurs vor dem Aus stehen, hadert deren Center Tim Duncan mit den Schiedsrichtern
Zu den vielen verschiedenen Bestleistungen, die Tim Duncan in einer langen, erfolgreichen Karriere gesammelt hat, gehören drei NBA-Titel mit den San Antonio Spurs und zwei Ehrungen als wertvollster Spieler der Liga. Seit Montagnacht hält der 30-jährige Center auch noch den inoffiziellen Rekord für die kürzeste Pressekonferenz in der Geschichte der NBA: Exakt 43 Sekunden saß Tim Duncan auf dem Podium in Dallas, beantwortete überaus wortkarg gerade einmal zwei Fragen, eine davon mit einem schlichten Nein, starrte noch kurz finster in die Runde und ging dann wieder.
Der Grund für die Verstimmung: Duncan und die Spurs hatten eben 123:118 bei den Dallas Mavericks verloren, die nun in der Best-of-Seven-Serie mit 3:1 Siegen führen und bereits heute Abend in San Antonio das Halbfinale erreichen können. Der Erfolg kam allerdings erst in der Verlängerung und mit etwas Dusel zustande. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit hatten die Spurs noch geführt, bevor das Glück den Mavericks zulächelte und auch die Schiedsrichter in einigen umstrittenen Situationen zu deren Gunsten entschieden – wieder einmal, wie Duncan fand, der zwar als womöglich bester Basketballspieler seiner Generation gilt, aber auch als ihr größter Jammerer. Kaum ein Pfiff der Referees gegen ihn, den er nicht mit unschuldig ausgebreiteten Armen und entsetzt aufgerissenen Augen in Frage stellt. Überhaupt kokettieren die Spurs – trotz dreier Titel in den letzten sieben Jahren – immer noch mit ihrem vermeintlichen Image als hässliches Entlein der NBA. Die Liga, so unterstellt man in San Antonio gerne, sieht lieber die in größeren TV-Märkten beheimateten Mannschaften, allen voran die verhassten Lakers aus dem glamourösen Los Angeles, tief in die Playoffs vordringen.
Tatsächlich sind die Einschaltquoten der San Antonio Spurs im Rest des Landes nicht gerade überwältigend und auch Ex-Profi Charles Barkley, mittlerweile Fernsehkommentator, befand die Schiedsrichterleistung „schlichtweg grauenhaft“.
Auch Avery Johnson, der Trainer der Mavericks, gab zu, dass „wir das eine oder andere Mal Glück hatten“, machte aber statt der Schiedsrichter lieber die neu gefundene „mentale Härte“ seines Teams für den Erfolg in diesem „Schwergewichtskampf“ zwischen zwei nahezu gleichwertigen Mannschaften verantwortlich. Der Coach lobte wieder einmal vor allem seinen Star Dirk Nowitzki. Der war zwar, so Johnson, wegen eines lädierten Knöchels, den er sich im Spiel zuvor geholt hatte, „nicht hundertprozentig fit“, konnte aber trotzdem noch 28 Punkte und neun Rebounds zum Sieg beisteuern – und das, obwohl, sobald der Deutsche den Ball in die Finger bekommt, die Spurs stets zu zweit oder gar zu dritt auf ihn losstürzen. Diese Taktik des Gegners aber, so hat Aufbauspieler Jason Terry erkannt, „öffnet Räume für die anderen“. Terry nutzte die Freiheiten, die sich ergaben, zu 33 Punkten und den beiden entscheidenden Sprungwürfen der Verlängerung. Man werde deshalb, um den Knöchel von Nowitzki zu schonen, ließ Terry wissen, „jetzt nicht sofort noch eine Trainingseinheit einschieben, oder Dirk?“.
Es war bereits nach Mitternacht und die Dallas Mavericks zum Scherzen aufgelegt, aber sie wussten auch, dass sie diese Spielserie noch nicht gewonnen hatten: „Die Spurs waren auch nicht schlechter als wir“, sagte Terry, „wir haben sie noch nicht besiegt, die Spurs sind immer noch die Champions.“ Neuerdings ja auch im Abkürzen von Pressekonferenzen.
THOMAS WINKLER