: Ein Schurke wird zum Freund
Nach über 25 Jahren nehmen die USA und Libyen erstmals wieder diplomatische Beziehungen auf. Die Menschenrechte sind dabei für die Politiker kaum ein Thema
MADRID taz ■ Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi hat es endgültig geschafft. Seit dieser Woche ist er nicht mehr Feind der USA, sondern deren Freund. US-Außenministerin Condoleezza Rice kündigte an, Libyen von der Liste der Staaten zu streichen, die den Terrorismus unterstützen. Washington wird ab kommender Woche volle diplomatische Beziehungen mit Tripolis aufnehmen. So wolle man „Libyens Verpflichtung anerkennen, auf Terrorismus zu verzichten und nach dem 11. September 2001 exzellent zu kooperieren“, erklärte Rice.
Libyen und die USA haben fast 26 Jahre lang keine umfassenden diplomatischen Beziehungen mehr gepflegt. Die Botschaft der USA in Tripolis wurde 1980 geschlossen, nachdem sie ein Jahr zuvor von einer aufgebrachten Menge abgebrannt worden war. Die internationale Isolierung Libyens verschärfte sich, als deutsche Behörden den libyschen Geheimdienst für einen Anschlag auf die Berliner Disko „La Belle“ 1986 verantwortlich machten, bei dem zwei US-Soldaten getötet worden waren. Zwei Jahre später explodierte eine Maschine der US-Gesellschaft Pan Am über dem schottischen Lockerbie, 270 Menschen starben. Nach mehreren UNO-Resolutionen galt ein vollständiges Embargo gegen Libyen.
Die Lage begann sich erst zu Beginn dieses Jahrzehnts zu entspannen, als al-Gaddafi sich bereit erklärte, für die Anschläge von Lockerbie und „La Belle“ Entschädigungen zu zahlen. Als Libyen 2003 auf die Herstellung, Lagerung und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verzichtete, nahm der Westen wieder erste offizielle Beziehungen auf. Die USA unterhalten seit 2004 ein Verbindungsbüro in Tripolis. Erste US-Firmen bohren bereits in Libyen nach Öl.
Der libysche Außenminister Abdel Rahman Schalgham begrüßte die Entscheidung der USA. Auch europäische Staatschefs lassen sich wieder gerne in al-Gaddafis Gästezelt nieder. Für sie ist Libyen neben dem Öl auch bei der Bekämpfung der illegalen Immigration von Afrika nach Europa wichtig. Dass al-Gaddafi weder das UN-Flüchtlingsabkommen unterschrieben hat noch elementare Menschenrechte respektiert, scheint die westlichen Politiker dabei kaum zu interessieren. Laut Menschenrechtsorganisationen werden Flüchtlinge unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten und über die Südgrenze abgeschoben. Hunderte Oppositionelle gelten als verschwunden, andere sitzen in Haft.
Die USA machten sich zwar, so der Abteilungsleiter für Beziehungen mit dem Nahen Osten im US-Außenministerium, David Welch, „Sorgen um die Menschenrechte“, dennoch sei die Annäherung ein Modell für andere Konflikte: Länder, die sich „internationalen Normen und Verhaltensweisen zuwenden“, würden „Gewinn einfahren“.
REINER WANDLER