DAVID DENK ÜBER FERNSEHENDIE KRISE AN DER BÖRSE IST KINDERKUSCHELN GEGEN DIE KATASTROPHEN IM DEUTSCHEN TV. EINE DER BESTEN SERIEN WIRD ABGESCHALTET
: Mein schwarzer Freitag

Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie, liebe Gebührenzahlerin, lieber Gebührenzahler, es noch nicht selbst gemerkt haben: Heute ist kein schöner Tag. Wirklich nicht. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass heute – und das ist nur leicht übertrieben – ein schwarzer Freitag ist, zumindest für mich und die deutsche Fernsehunterhaltung.

Der Tiefpunkt wird heute um 22 Uhr erreicht sein, wenn im ZDF der Abspann von „Kriminaldauerdienst“ läuft, zum allerletzten Mal. Wie in der taz und überall, wo gutes Fernsehen noch eine Lobby hat, zu Recht mit Nachdruck, aber ohne Erfolg gegeißelt, stellt der Sender die von Orkun Ertener erdachte Polizeiserie nach der dritten Staffel ein.

Die Geschichten seien „auserzählt“, lautete die Begründung zuerst, ein von jeder einzelnen Folge und erst recht vom furiosen Finale widerlegter Unsinn, mit dem die Verantwortlichen offenbar auch bald schon nicht mehr konfrontiert werden wollten und sich entschieden, fortan den unpopulären, wahren Grund zu kommunizieren: „KDD“ hat die Quotenerwartungen des ZDF nicht erfüllt.

Wenn ich die Quote mal treffe, hinter der sich auch die Öffentlich-Rechtlichen so gern verstecken, dann kotze ich ihr vor die Füße – oder besser: hinter sie. Eine zwar plumpe, aber erleichternde Meinungsäußerung.

Wie um alles in der Welt kann es sein, dass man ein solch rasant erzähltes Format nach Schnarchkrimis wie „Der Alte“ platziert und sich dann wundert, dass die Alten vor dem Fernseher in Ohmacht fallen?

Das müsste mir mal bitte jemand erklären.

Dass „KDD“ aufgrund einer völlig willkürlichen Festlegung und eben nicht wegen Qualitätsmängeln als gescheitert in die Fernsehgeschichte eingehen wird, ist eine Tragödie – und das ist nun wirklich kein Stück übertrieben. Was „der Zuschauer“ ja offensichtlich nicht will, wird man ihm so schnell auch nicht wieder anbieten. Die Sender, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, blenden in ihrer hirnverbrannten Geilheit auf den schnellen Erfolg die Langzeitschäden dieser Kurzatmigkeit komplett aus: das Zementieren von Mittelmäßigkeit.

Ich liebe „KDD“ unter anderem dafür, dass Erfinder Ertener die im deutschen Fernsehen verbreitete Schockstarre angesichts der gefühlten Übermacht der US-Serie so fremd ist. Er hat sich davon nicht lähmen, sondern inspirieren lassen und doch etwas genuin Deutsches geschaffen, Geschichten, die handwerkliche Brillanz mit einer unaufdringlichen Reflexion der Lebenswirklichkeit im Berlin-Kreuzberg der Nullerjahre verbinden.

Das Lamento von großen Teilen der Branche (und auch von Journalisten) dagegen ist kontraproduktiv. Durch das Beharren auf der Chancenlosigkeit der deutschen Qualitätsserie tun sie nichts dagegen, sondern nur dafür, sägen munter am Ast, auf dem sie sitzen – und wenn sie schließlich runterfallen, ist das Geheule groß. Mein Mitleid wird sich in Grenzen halten.

Nun heißt es also Abschied nehmen: Ich werde jede einzelne der Figuren aus „KDD“ vermissen. Aber vielleicht sehen wir uns ja irgendwann mal wieder, in einer besseren Welt oder wenigstens auf DVD. DAVID DENK