Stückchenweise Aufklärung über BND

Der parlamentarische Geheimbericht zur Journalisten-Bespitzelung soll veröffentlicht werden – aber erst nächste Woche. Weil der Bericht bereits in der Öffentlichkeit kursiert, wird jetzt ein Ermittlungsverfahren wegen „Geheimnisverrats“ eingeleitet

AUS BERLIN JENS KÖNIG
UND LUKAS WALLRAFF

Die Proteste gegen die Bespitzelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst (BND) zeigen Wirkung. Die große Koalition reagierte gestern auf die Kritik an ihrer bisherigen Aufklärungsbereitschaft und versprach mehr Transparenz. Der bisher als geheim eingestufte Bericht des Sonderermittlers Gerhard Schäfer über die BND-Aktivitäten soll nun doch veröffentlicht werden. Diese Absichtserklärung hat das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestags gestern bei einer Enthaltung einstimmig beschlossen.

Der Vorsitzende Norbert Röttgen (CDU) begründete den Beschluss des Gremiums damit, dass in strafbarer Weise Teile des geheimen Berichts der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden seien. Dadurch sei die Gefahr gegeben, „interessengeleitet, manipulativ und verzerrend“ den Inhalt darzustellen. Dieser Gefahr habe Einhalt geboten werden müssen. Die endgültige Entscheidung soll aber erst in der Sitzung kommenden Mittwoch fallen. Vorher sollen Betroffene zur Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten.

Röttgen redete nach der Sitzung des Kontrollgremiums mehrfach und leidenschaftlich von „Geheimnisverrat“ sowie einer „Straftat“ – und meinte damit immer wieder nur die Veröffentlichung des Schäfer-Berichtes. Sie beschädige die Effektivität der demokratischen Geheimdienstkontrolle, sagte der CDU-Politiker. Deshalb habe das Gremium den Bundestagspräsidenten gebeten, die Ermächtigung zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Geheimnisverrats einzuleiten. Zum BND-Abhörskandal selbst äußerte sich Röttgen nicht – weil der Schäfer-Bericht „noch geheim“ sei.

Diese krude Gesetzeslage, dass sich das Kontrollgremium zu Sachfragen in der Öffentlichkeit nicht äußern, sondern nur Kommentierungen bereits bekannter Vorgänge abgeben darf, ist auch der Grund für eine erst auf den zweiten Blick verständliche Stimmenthaltung des gestrigen Tages. Ausgerechnet Wolfgang Neskovic, der Obmann der Linksfraktion, stimmte nicht für die Veröffentlichung des Schäfer-Berichtes – weil das Gesetz es nicht zulasse. „Als ehemaliger Richter fühle ich mich dem Recht verpflichtet und nicht der politischen Opportunität“, sagte Neskovic. Und begrüßte dennoch die neue Transparenz.

Genau zum selben Zeitpunkt, zu dem sich die Vertreter der PKG vor den Kameras äußerten, legte BND-Chef Ernst Uhrlau einen seiner seltenen Auftritte in der Öffentlichkeit hin. Die jüngsten Vorwürfe, sein Geheimdienst habe die Telefone von Journalisten abgehört, kommentierte er zunächst mit den Worten, dafür „keinerlei Indizien“ zu haben. Trotzdem legte er sich in diesem Punkt fest: „Ich halte das für eine Ente, von Anfang bis zum Ende.“

Die BND-Affäre betrifft auch Mitglieder des parlamentarischen Kontrollgremiums selbst. So sah sich der frühere Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU), gestern gezwungen, seine Mitarbeit in der geheim tagenden Runde vorerst ruhen zu lassen. Schmidbauer begründete das damit, dass einige der Vorfälle, die Gegenstand der aktuellen Untersuchungen sind, in seine Zeit als Geheimdienstkoordinator von 1991 bis 1998 fallen.