: EU einigt sich auf neue Regeln für Versicherer
RISIKEN Branche wird ihre Geschäfte mit mehr Eigenkapital absichern müssen. Das soll Pleiten vorbeugen und das Finanzsystem stabil halten. Verbraucherschützer bezweifeln, ob die Vorschriften reichen
HAMBURG taz | Europas Versicherungsbranche muss ab 2016 strengere Kapitalregeln erfüllen. Darauf haben sich Unterhändler des Europaparlaments und des Ministerrats am Donnerstag geeinigt, teilte die litauische EU-Ratspräsidentschaft mit. Durch die Regeln namens „Solvency II“ will Brüssel die Branche krisenfester machen. So müssen die Versicherer künftig für viele Risiken bestimmte Eigenmittel zurücklegen. Wer höhere Risiken eingeht, etwa in Aktien oder hochspekulative Hedgefonds investiert, muss zusätzliches Eigenkapital beiseitelegen. Zudem gibt es neue Melde- und Auskunftspflichten gegenüber den Aufsichtsämtern. So will die EU Pleiten verhindern und Kunden schützen.
Die Pleite der amerikanischen AIG in der Finanzkrise 2007/2008 hatte gezeigt, dass auch Versicherer „systemrelevant“ sein können. Im Dezember will der Finanzstabilitätsrat der G-20-Staaten erstmals eine Liste der systemrelevanten Versicherungsgiganten veröffentlichen. Doch wie bei den Banken steckt fünf Jahre nach Ausbruch der Krise die Regulierung noch in den Kinderschuhen: Ursprünglich hätte das neue Solvency (englisch für „Zahlungsfähigkeit“) schon 2012 in Kraft treten sollen. Doch immer neue Bedenken aus der Branche und nationale Egoismen hatten den Zeitplan ins Rutschen gebracht. Auf Druck der Versicherer räumt die EU den Anbietern nun eine weitere Schonfrist ein, „um den Übergang von Solvency I auf Solvency II zu erleichtern“.
Kritik kommt von Verbraucherschützern. Einerseits sei Solvency II „ein extrem bürokratisches Monster“, sagt Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) der taz, anderseits werden Prognosen zugrunde gelegt, die nur ein Jahr im Voraus schauen. Bei Lebensversicherungen, die über 20 oder 30 Jahren laufen, sei das viel zu kurz. Außerdem biete auch Solvency keine vollkommene Sicherheit, dass ein Unternehmen überlebt. Daher fehle ein europaweites Sicherungssystem ähnlich der Einlagensicherung bei Banken, damit Verbraucher im Pleitefall vor Schaden geschützt werden. HERMANNUS PFEIFFER