Mutter mit acht Kindern muss nach Syrien

Landtag in Hannover beschließt Abschiebung für Flüchtlinge aus dem Ammerland. Möglicherweise werden die zwangsverheiratete Frau und ihre traumatisierten Kinder so in die Arme eines gewaltbereiten Vaters getrieben

„Kopftuch, Schuluniform – oh Gott“, sagt Taline. Die 15-Jährige wirkt geschockt. Noch kann sie sich nicht vorstellen, dass sie schon im August nach Syrien abgeschoben werden könnte. Aber genau das hat soeben der Landtag beschlossen.

Das Mädchen aus dem Ammerland war ein halbes Jahr alt, als sie mit ihrer Familie nach Deutschland kam. Sie geht in die 8. Klasse der Hauptschule in Westerstede, singt in der Schulband und spricht natürlich kein Arabisch. Schulkameraden haben Unterschriften gesammelt, ein Unterstützerkreis hat sich gegründet.

Doch die Abgeordneten von CDU und FDP stimmten gestern gegen ein Bleiberecht. SPD und Grüne befürchten nun, in Syrien könnten Mutter und Kinder in die Arme eines gewalttätigen Ehemanns getrieben werden. Die Mutter sagt, dass sie mit 15 Jahren zwangsverheiratet wurde.

1992 war die heute 35-jährige Salima K. nach Deutschland gekommen, sechs ihrer acht minderjährigen Kinder sind hier geboren. Ihr Mann war wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung verurteilt und vor zwei Jahren abgeschoben worden. „Er hat nach ihr mit einem Bügeleisen geworfen“, sagt Petra Mourad, eine Freundin der Mutter. Auch die Kinder soll der Vater geschlagen haben.

Taline habe sich beim Abschied „in die Arme des Vaters geworfen“, sagte der Vorsitzende des Petitionsausschusses, Klaus Krumfuß: „Das tut keine Tochter, die von ihrem Vater misshandelt wurde.“ Heidi Merk machte diese Argumentation wütend: „Glauben sie nicht, dass Kinder, die misshandelt worden sind, ihren Eltern nicht beiseite stehen“, so die SPD-Abgeordnete.

Vier Asylanträge seien abgelehnt worden, fünf Verwaltungsgerichtsverfahren seien zum gleichen Urteil gekommen, sagte Landtagspräsident Jürgen Gansäuer (CDU). „Es gibt keinen Grund für ein Aufenthaltsrecht.“ Auch das Bundesamt für Migration hatte eine Wiederaufnahme des Asylverfahrens abgelehnt.

Bereits vor Wochen hatte sich auch der Petitionsausschuss mit den Stimmen von CDU und FDP gegen ein Bleiberecht für die Familie ausgesprochen. Angeblich hatte die Mutter 1.500 Euro Sozialhilfe im Monat kassiert, obwohl bei einer Durchsuchung 50.000 Euro im Bettkasten gefunden worden waren.

Der Fall sei eine „Tragödie“, betonte Gansäuer und fragte, ob nicht die Eltern „die eigentlich Schuldigen“ seien, weil sie ihre Kinder nicht auf die Ausreise vorbereitet hätten. „Es geht hier nicht um Schuld und Sühne“, erwiderte Uschi Helmhold (Grüne). Vergeblich beantragte die Opposition, die Debatte auszusetzen, bis die geplante Härtefallkommission erneut darüber entscheiden kann.

Der Fall dürfte noch ein juristisches Nachspiel haben. Während der Sitzung des Landtags hatte die Anwältin der Familie ihre Petition zurückgezogen, damit gar nicht erst darüber abgestimmt werden kann. Daraufhin bürsteten CDU und FDP die anderen fünf vorliegenden Petitionen ab. Anwältin Ulrike Wiener will dagegen vorgehen: „Die Chance kann klein sein. Wir werden sie aber auf jeden Fall wahrnehmen.“ Kai Schöneberg