: Eintauchen ins Bad der Extreme
Berlins beliebtestes Sommerbad wird heute 50 Jahre alt. Im Prinzenbad trifft sich alles, was die Stadt ausmacht: Studis, Hartz-IVler und Muttis; Alkis, Kiffer und Sportler. Zum Jubiläum kostet der Eintritt schlappe 50 Cent
von PLUTONIA PLARRE
Regenschauer peitschen durch das Prinzenbad. Lufttemperatur: 13 Grad. Wasser: 22 Grad im geheizten Mehrzweckbecken. Witterungen wie diese gestern sind den Stammgästen von Berlins beliebtestem Sommerbad das Liebste. Keine Kinder, die einem von den Startblocks unvermittelt ins Kreuz hüpfen. Keine Rentner, die wie die Schnecken durchs Becken zuckeln. Jeder Schwimmer hat eine Bahn für sich. Nicht mal beim Rückenkraulen kommt es zu Karambolagen. An Tagen wie diesen ist die eingeschworene Gemeinde der Prinzenfanatiker, die jeden September um eine Verlängerung der Sommersaison kämpft, unter sich.
Und trotzdem: Ein bisschen besseres Wetter als angekündigt hätte man dem Kreuzberger Prinzenbad zu seinem heutigen 50. Geburtstag schon gewünscht. Immerhin der Kassenwart gibt sich optimistisch: „Junge Frau, Freitagmittag kommt die Sonne raus. Der Eintritt kostet auch nur 50 Cent. Den ganzen Tag lang!“
Baden für 50 Cent, wo die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) sonst für das Normalticket satte 4 Euro kassieren? Der Preis kann es fast mit dem vom 19. Mai 1956 aufnehmen, als das Bad zum ersten Mal öffnete. Schlappe 40 Pfennig zahlte ein Erwachsener damals für den Eintritt.
„Man muss ein bisschen pervers sein, um das hier freiwillig zu machen“, hat der Prinzen-Bademeister Simon K. einmal in einem taz-Interview bekannt. Auch wenn es der Vorstand der BBB nicht gleich erkannte: Eine größere Liebeserklärung hätte man dem Bad und seinem Besuchern nicht machen können. Das Prinzenbad ist das schönste und interessanteste Freibad Berlins. An schönen Sommertagen treffen sich dort die Stinknormalen und die Verrückten, die Körperkultfanatiker und die Bierbäuche. Die Studis, die Azubis, die Hartz-IV-Empfänger und die Werktätigen. Die Luden, die Schwulen, die Alkis und Kiffer, die Streetgangs, die Autonomen und die Szenearistokraten.
Das Prinzenbad ist ein Integrationslabor par excellence. Der Alltag, die schönen und die hässlichen Seiten der Stadt sind dort im Kleinen nachgebildet. Die türkischen und arabischen Kids, die ihre Revierkämpfe austragen, während die deutschen Jugendlichen das Segel gestrichen haben und wegbleiben. Die türkischen Muttis mit Kopftuch, die mit ihren Picknick-Körben vor den FKK-Freunden die Flucht ergreifen. Die Pädophilen, die schmachtend Knaben nachschauen. Und natürlich die Stammschwimmer, die keinen neben sich auf der Bahn dulden.
Herzlichen Glückwunsch. Auf die nächsten 50 Jahre.