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Archiv-Artikel

Köhler wirbt in Polen für sanfteren Ton

Beim Treffen des Bundespräsidenten mit seinem polnischen Amtskollegen Kaczynski wird Tacheles über Probleme gesprochen: die Gaspipeline und das Zentrum gegen Vertreibungen. Köhler: „Inakzeptable Formulierungen“ belasten die Beziehungen

Kaczynski kann den Umgang mit Schwulen nicht erklären

aus WARSCHAU GABRIELE LESSER

Polens Staatspräsident Lech Kaczynski hat sich seinem deutschen Gast gegenüber von seiner besten Seite präsentieren wollen. Auf der Warschauer Buchmesse mit dem diesjährigen Gastland Deutschland scherzte er mit Bundespräsident Horst Köhler, spielte ein paar Minuten Tischfußball mit ihm und freute sich über das bevorstehende Spiel Deutschland gegen Polen auf der Fußballweltmeisterschaft. Köhler besuchte seinen Amtskollegen in Warschau gestern einen Tag lang – zum Abschluss des deutsch-polnischen Jahres.

Es hätte nicht viel gefehlt, und auf der Pressekonferenz zum Staatsbesuch hätten beide Präsidenten versichert, wie großartig die deutsch-polnischen Beziehungen doch seien, ja, dass sie „so gut sind wie nie zuvor“. So wie dieses Szenario liefen in den letzten Jahren fast alle deutsch-polnischen Politikertreffen ab: Freundlich und unergiebig. Nach der Abreise des jeweiligen Gastes waren die Worte von den „großartigen Beziehungen“ schnell wieder vergessen. In Polen mussten die Deutschen wieder als „gefährlichste Gegner Polens“ herhalten, und in Deutschland durften Vertriebenenfunktionäre wieder mit Prozessen oder dem Zentrum gegen Vertreibungen drohen.

Diesmal jedoch scheinen die Präsidenten nach dem Schaulaufen für die Kameras hinter verschlossenen Türen tatsächlich Tacheles geredet zu haben. Denn nach den Konsultationen, an denen insgesamt ein Dutzend Experten teilnahmen, benannten die Präsidenten die Probleme in den bilateralen Beziehungen zum ersten Mal seit Jahren auch ganz klar für die Öffentlichkeit. Für Polen sind dies die deutsch-russische Gaspipeline am Boden der Ostsee und das in Berlin geplante Zentrum gegen Vertreibungen. Polen verliert durch die Gaspipeline, die in ihrer ganzen Länge an dem Land vorbeiführen soll, Transitgebühren in Höhe von Millionen, wenn nicht Milliarden Euro.

Zudem fürchten Polens Politiker, dass Moskau bei einem eventuellen Konflikt dem Land den Gashahn zudrehen könnte, wie Putin dies unlängst gegenüber der Ukraine getan hat. Das Zentrum gegen Vertreibungen wiederum ist in den Augen der Polen ein revisionistisches Projekt, in dem die Deutschen nur mehr als Opfer des Zweiten Weltkriegs und die Polen als Täter dargestellt werden sollen. Für Köhler sind es weniger die Interessenkonflikte, die „wir nicht nur konstruktiv diskutieren, sondern auch abschließend lösen können“, sondern der Ton und einige „inakzeptable Formulierungen“, die die deutsch-polnischen Beziehungen belasten. So hatte vor kurzem Polens Verteidigungsminister den deutsch-russischen Pipelinevertrag mit dem Hitler-Stalin-Pakt verglichen.

Kaczynski selbst war es, der seine Wahl zum Präsidenten Polens mit antideutschen Parolen gewürzt hatte und in Interviews schon mal vom „deutschen Diktat“ in Europa sprach, dem sich Polen nicht unterwerfen werde. „Wie haben Sie Herrn Köhler erklärt, dass demnächst deutsche Politiker in Polen Prügel beziehen können, wenn sie sich für Homosexuelle einsetzen“, wollte eine Journalistin vom polnischen Präsidenten wissen. Kaczynski wand sich nur. Immerhin hatte er selbst als Präsident Warschaus die Love-Parade verboten.