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Archiv-Artikel

Das Kabinett des Dr. Bach

Heute konstituiert sich der Deutsche Olympische Sportbund. Thomas Bach, der designierte Präsident, und dessen Mannschaft brauchen in der Paulskirche keine kritischen Stimmen zu befürchten

VON STEFAN OSTERHAUS

In der Frankfurter Paulskirche, diesem Monument deutschen Demokratiestrebens, soll heute abseits vom Prä-WM-Treiben Sportgeschichte geschrieben werden. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) konstituiert sich. Er löst das Nationale Olympische Komitee (NOK) und den Deutschen Sportbund (DSB) ab, eine Fusion, die das Ergebnis eines ganzen Jahrzehnts von Lobbyarbeit ist, die der scheidende DSB-Chef Manfred von Richthofen geleistet hat.

Alles ist gut vorbereitet, die wesentlichen Fragen sind geklärt, lästige Legitimationsverfahren entfallen: Wahlen wird es nämlich keine geben, die Vizepräsidenten sind schon vorab erspäht worden. Nacheinander gaben sämtliche Interessenten ihre Ambitionen auf. Christa Thiel, die Präsidentin des Schwimmverbandes, verzichtete; der ehemalige Präsident der Deutschen Triathlon-Union, Martin Engelhardt, gegenwärtig Vorsitzender des Institutes für Angewandte Trainingswissenschaft, wollte auf einmal nicht mehr; und auch der einstige brandenburgische Sportminister Steffen Reiche legt keinen Wert mehr auf den Kompetenzbereich Bildung im neuen Super-Sportbund.

In Ermangelung stattlicher Kombattanten kann der designierte Chef Thomas Bach am Samstag seine Kandidaten auch offiziell in aller Feierlichkeit ins Amt heben. Der promovierte Jurist aus Tauberbischofsheim, als Vizepräsident eine ganz große Nummer im IOC, hatte sich auf die Vorschläge einer Findungskommission unter dem Vorsitz des DFB-Chefs Theo Zwanziger verlassen, die landesweit nach geeigneten Kandidaten fahndete. Bach selbst hatte lange gezögert, ehe er sich entschloss, den ihm mehrfach angetragenen Vorsitz zu übernehmen. Der Mann ließ sich bitten. Noch im Winter, als die Fusion auf der Kippe stand, ließ er kein klares Bekenntnis verlauten. Erst wollte er bei den Olympischen Spielen in Turin die Wahlschlacht gewinnen, um erneut Einzug in den engsten Zirkel der Olympier zu erhalten. Das gelang ihm souverän. Und für den bloß international profilierten Sportpolitiker dürfte der Vorsitz in einer Organisation, der mehr als 26 Millionen Mitglieder angehören, ein gewichtiges Pfund sein, mit dem sich im Kreis der Weltsportregierung bei Bedarf wuchern lässt. Für ihn ist alles wunschgemäß gelaufen, selbst die Kritiker des Advokaten von der Tauber räumen ein, dass er der Einzige sei, der dieses Monster von einem Verband ordentlich steuern könne. Zur Auswahl der Kandidaten ist auch nur Löbliches von höchster Stelle zu vernehmen, denn sie garantiert vor allem eines: Thomas Bach, der es 1976 in Montreal auf der Planche mit dem Florett bis zum olympischen Gold brachte, ist in Zukunft der starke Mann im DOSB.

Bei genauerer Betrachtung nimmt sich das Kabinett des Dr. Bach ein wenig sonderbar aus. Da ist zum einen Gudrun Doll-Tepper, eine Berliner Professorin, die sich als Vizepräsidentin um Bildung kümmern soll. Bisher ist sie vor allem als Expertin für den Behindertensport aufgefallen, und manche meinen, sie sei keine schlechte Wahl.

Und da ist der ehemalige Turn-Weltmeister Eberhard Gienger, der inzwischen für die CDU im Bundestag sitzt. Er soll zukünftig den Leistungssport organisieren. Da gilt er zwar als unbeschriebenes Blatt, was allein noch kein Problem gewesen wäre. Doch Gienger desavouierte sich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf ganz besondere Weise: Er gestand ein, ehemals Anabolika-Konsument gewesen zu sein – nicht ausufernd, sondern in Maßen, was ihm ja niemand verübeln könnte, zumal es damals nicht gegen das Reglement gewesen sei. Ebenso sinnig könnte sich ein designierter Innenminister selbst der Korruption bezichtigen, weil es seinerzeit kein Straftatbestand gewesen sei. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten, allerorten wurde ein klares Bekenntnis gegen Doping verlangt. Doch Giengers Glaubwürdigkeit dürfte zumindest in diesem Punkt bis auf weiteres ordentlich erschüttert sein, wenngleich seine Aussagen eher das Produkt einer allzu blauäugigen Haltung denn ein Plädoyer für die Freigabe verbotener Substanzen sind. Den Nachweis, ein geschickter Öffentlichkeitsarbeiter zu sein, hat Gienger freilich nicht erbracht, wiewohl das diplomatische Hochreck im Allgemeinen nicht zu den Stärken des Abgeordneten zählt.

Thomas Bach, den designierten Präsidenten, ficht das alles freilich nicht an. Er dürfte mit den Kandidaten, der braven Gefolgschaft, zufrieden sein. So ist der deutsche Sport zwar nicht ideal, aber immerhin geschlossen aufgestellt, wenn es darum geht, ein neues Kapitel Sportgeschichte zu schreiben.