: Wie schwarz ist New Orleans noch?
Nach dem Hurrikan „Katrina“ im August 2005 haben mehr Schwarze als Weiße der zu weitgehend zerstörten Stadt den Rücken gekehrt. Heute könnte erstmals seit 50 Jahren ein weißer Bürgermeister bei Kommunalwahlen eine Mehrheit bekommen
AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF
Ob New Orleans nach den Verwüstungen des Hurrikans „Katrina“ wirklich eine „weiße“ Stadt geworden ist, das werden die Wahlergebnisse der Bürgermeisterwahl an diesem Wochenende endgültig offenbaren. Dann müssen die Wählenden bei einer Stichwahl zwischen dem amtierenden schwarzen Bürgermeister Ray Nagin und seinem weißen Herausforderer Mitch Landrieu entscheiden. Der Wirbelsturm hatte im August vergangenen Jahres weite Teile der Stadt an der US-Golfküste zerstört und die politische Landschaft entscheidend verändert.
Rund die Hälfte der ehemals zwei Drittel zählenden afroamerikanischen Bevölkerung hat die Stadt seitdem verlassen. Für die zurückgebliebene weiße Bevölkerung, deren Stadtviertel weitaus weniger beschädigt wurden, eröffnet sich dadurch zum ersten Mal seit 50 Jahren wieder die Chance, die politische Mehrheit zu erobern. Die Vorwahlen des Bürgermeisterrennens haben es deutlich gezeigt: Das geschrumpfte New Orleans ist nun eine Fifty-fifty-Stadt.
Daher wird die spektakulärste Kommunalwahl der USA in diesem Jahr nahezu ausschließlich darüber entschieden, wer zur Wahl gehen wird. Ob Nagin, der während der „Katrina“-Krise mit heftiger Kritik am Weißen Haus Weltschlagzeilen machte, nun in Wirklichkeit nicht besonders effektiv gewesen war, ist dabei fast egal. Denn der Mann, der selbst aus den schwarzen Armenvierteln der Stadt kam, spricht die Sprache der einfachen, schwarzen Leute.
Landrieu hingegen entstammt einer der politisch einflussreichsten Familien des Bundesstaates Louisiana. Seine Schwester Mary ist Senatorin im US-Kongress. Er ist zudem der Sohn des letzten weißen Bürgermeisters, den New Orleans hatte – und damit allein schon eine symbolhafte Figur. Für all diejenigen, die New Orleans gerne als runderneuerte, mittelständische Wirtschaftsmetropole sehen möchten, ist er, trotz fehlenden Charismas, der Mann.
Nagin und Landrieu hatten sich im April erfolgreich aus einem Wust von insgesamt 22 KandidatInnen herausgearbeitet. Dabei hatte der wankelmütige Nagin zwar die meisten Stimmen auf sich vereinen können, allerdings hatten insgesamt 62 Prozent der Wählenden für KandidatInnen gestimmt, die für einen radikalen Wandel optierten. Hinzu kommt, dass Landrieu zahlreichen afroamerikanischen Wählenden als akzeptabel erscheint.
„Es wird ein sehr enges Rennen“, schätzt die Politologin der Universität New Orleans, Susan Howell. Sie glaubt, dass Landrieu sogar einen kleinen Vorteil habe, weil viele Einwohner von New Orleans angesichts schleppender Aufräumarbeiten und noch immer sichtbarer Zerstörung frustriert sind – und kein „Weiter so!“ wollten. Howell erwartet zudem eine leicht geringere Wahlbeteiligung der schwarzen Bevölkerung.
Sowohl Nagin als auch Landrieu sind Demokraten. Wiederaufbau, Rückholung der Umgesiedelten, Zukunftsvisionen, in diesen Fragen unterscheiden sie sich kaum. Nagin beansprucht für sich, nach der Feuertaufe im Hurrikan, geschickter darin zu sein, von Washington Unterstützung zu fordern. Landrieu hingegen behauptet, mehr diplomatisches Geschick zu haben, wenn es darum gehe, gegensätzliche Interessen zusammenzubringen. ADRIENNE WOLTERSDORF