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Archiv-Artikel

Silvio-Meier-Demo

Inzwischen schon Tradition – die alljährliche große Antifa-Demonstration in Friedrichshain. Dieses Jahr geht es durch die neu benannte Silvio-Meier-Straße

Silvio Meier gedenken

Antifa-Stadtspaziergang

Donnerstag, 21. November, Start: 16 Uhr, U-Bhf. Frankfurter Allee

Mahnwache zum Todestag

Donnerstag, 21. November, ab 17 Uhr, U-Bhf. Samariterstraße

Silvio-Meier-Demo

„Kein Vergeben– Kein Vergessen! Antifa in die Offensive!“, Samstag, 23. November, Start: 15 Uhr, U-Bhf. Samariterstraße

Im Netz: www.antifa.de

Plötzlich zerreißt ein lautes Krachen die kühle Winterluft, einen Augenblick später ist alles in rotes Licht getaucht. Auf einem Dach über der Demo stehen maskierte Gestalten und winken mit bengalischen Feuern in der Hand. Einer schwenkt eine große Fahne hin und her. Das Publikum applaudiert, feuert die Dachsteher mit Rufen an. Aus dem Lauti schallt laute Rap-Musik. Nach ein paar Minuten ist die Show vorbei, der Zug zieht weiter.

Es sind Szenen wie diese aus dem Jahr 2011, die zur Silvio-Meier-Demo fest dazugehören. Einmal im Jahr treffen sich Antifas, politisch Aktive und Nachbar_innen in Friedrichshain, um gemeinsam des im Jahr 1992 von einem Neonazi ermordeten Hausbesetzers, Antifaschisten und DDR-Oppositionellen Silvio Meier zu gedenken. Heute, am 21. November, jährt sich der Todestag Silvio Meiers erneut. Begangen wird der Tag mit einer Mahnwache um 17 Uhr und einem Kiezspaziergang um 16 Uhr. Am Samstag findet dann ab 15 Uhr die traditionelle Silvio-Meier-Gedenk-Demo statt. Startpunkt ist der U-Bahnhof Samariterstraße, der Ort, an dem Silvio Meier ermordet wurde. Wie die Bengalo-Einlage auf den Hausdächern zeigt, geht es bei dem Gedenkzug um mehr. „Es soll ein starkes Zeichen gegen rechts gesetzt werden“, sagt Patrick Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin, die den Gedenkzug mitorganisiert.

Und eben das wollen die Organisator_innen am Samstag erreichen. Inhaltlich richten sie sich zum einen gegen die Hetze gegen Asylsuchende in Deutschland und die deutsche Asylpolitik. Dabei beziehen sie sich auf den Protest von Anwohner_innen und Nazis in Marzahn-Hellersdorf gegen eine dort eingerichtete Notunterkunft für Flüchtlinge und die Residenzpflicht, die die Freizügigkeit von Asylsuchenden einschränkt. Darüber hinaus soll der jüngsten Todesopfer neonazistischer Gewalt gedacht werden. Im Sommer verletzten Neonazis in Paris den jungen Antifa Clément Méric so schwer, dass er kurze Zeit später im Krankenhaus starb. In Athen wurde im September der Musiker Pavlos Fyssas von einem Mitglied der rechtsextremen Partei Chrisy Avgi erschossen. „Die jüngsten Vorfälle zeigen erneut, wie gefährlich die neue rechtsradikale Bewegung in Europa ist“, sagt Laumeyer.

Anders als in den vergangenen zwei Jahren verläuft die Route der Silvio-Meier-Demo diesmal nur durch Friedrichshain. Neben der örtlichen Polizeiwache soll auch an dem linken Wohnprojekt Rigaer 94 vorbeigegangen werden. Damit wollen sich die Organisator_innen mit den Bewohner_innen des Hauses solidarisieren, deren Wohnungen im August diesen Jahres von der Polizei durchsucht worden waren. Anlass für die Razzien waren Ermittlungen nach Angriffen auf Polizist_innen am Kottbusser Tor und mehrere Jobcenter, die der linken Szene zugeschrieben werden.

Den Höhepunkt der Demo dürfte der Besuch der Silvio-Meier-Straße bilden, die im Frühjahr eingeweiht wurde. Über Jahre hinweg hatten sich Antifa-Gruppen dafür eingesetzt, dass eine Straße in Friedrichshain nach Silvio Meier benannt wird. Nachdem die BVV es abgelehnt hatte, eine neu eröffnete Bezirksbibliothek nach dem Hausbesetzer zu benennen, stimmte sie im Juni 2012 einer Straßenbenennung zu. Im April diesen Jahres wurde schließlich die Gabelsberger Straße zwischen Frankfurter Allee und Rigaer Straße in Silvio-Meier-Straße umbenannt. „Die Umbenennung ist ein großer Erfolg und ein wichtiges Symbol im Gedenken an die Opfer rechter Gewalt“, sagt Laumeyer.

Ebenso wichtig ist die Silvio-Meier-Demonstration. Fünftausend Menschen kamen laut Organisator_innen im vergangenen Jahr.

Wie Laumeyer berichtet, sei die Demo von großer Bedeutung für die Antifa-Bewegung. Nicht nur werden hier für einen Moment die Streitigkeiten unter den Gruppen beiseite gelegt und es wird zusammen auf die Straße gegangen. Darüber hinaus ist sie ein gutes Mittel, um für die eigene Arbeit zu werben.

Dieser Punkt erscheint umso bedeutender, schaut man sich die Entwicklung der Bewegung an. Wie Laumeyer berichtet, gebe es weniger Gruppen als noch vor ein paar Jahren, innerhalb der Gruppen mangele es an Mitgliedern. Die strukturelle Schwäche schlage sich in der Zahl von Aktionen wieder. Als möglichen Grund für den Trend nennt Laumeyer straffere Stundenpläne in den Schulen und Unis, die weniger Zeit ließen, sich politisch zu engagieren.

Dass es aber gerade heute eine starke antifaschistische Bewegung brauche, die sich entschlossen Nazis in den Weg stellt, zeigten laut Laumeyer die Beispiele Marzahn-Hellersdorf und Schneeberg, und auch gegen den Umgang der Regierung mit Asylsuchenden müsse man sich organisieren. „Es ist Zeit zu handeln“, sagt Laumeyer. LUKAS DUBRO