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Archiv-Artikel

Einmal noch der ganze Tamm

Die rechte Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft im Marinemuseum von Peter Tamm: Sie befürchtet, dass zum Umzug in die Hamburger Hafencity die Nazi-Devotionalien weichen müssen

Von Andrea Röpkeund Andreas Speit

Das schöne Wetter verleitet manchen Besucher auf die Veranda des „Internationalen Maritimen Museums“ hinauszutreten. Weniger idyllisch wirken die Ausstellungsstücke auf dem Anwesen an der Elbchaussee: Geschütze, Minen, Kanonen und ein Torpedoboot. „Kommen sie bitte rein!“, schallt eine Stimme, die gewohnt ist zu befehlen. Der bestimmenden Bitte des Hamburger Vorsitzenden der „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ (SWG), Manfred Backerra, folgen die angemeldeten Gäste sofort. Der zackige Klang gehört in diesen Kreisen, wo die älteren Männer noch fürs Vaterland kämpften und die jüngeren Männer wenigstens dienten, zum guten Ton.

Über 60 Damen und Herren sind am 15. Mai der SWG-Einladung in die Privatsammlung des ehemaligen Springer-Vorstands Peter Tamm gefolgt. Laut Einladungsschreiben wollen sie die Objekte noch in ihrer „Original Atmosphäre“ sehen, bevor die Sammlung ins neue Museum in der Speicherstadt umzieht. Vermutlich treibt sie die Sorge um, dass manches wegen der öffentlichen Kritik verschwinden könnte. Hatte doch die Geschäftsführerin des Museums Russalka Nikolov erklärt: „Zu viele Nazi-Symbole können wir nicht zeigen. Da würden wir uns ja verdächtig machen.“ Aber ein Herr Grahn, der sich als ehrenamtlicher Museumsführer vorstellt, beruhigt: „Die Dinge, die wir hier ausstellen, die stellen wir auch im neuen Haus aus.“

Seit über 40 Jahren kämpft die SWG, die der einstige Joseph-Goebbels-Referent Hugo Wellems 1962 mitbegründete, gegen die „alliierte Umerziehung“ und die „68er Wertezersetzung“, wie es in ihren Schriften heißt. An diesem Nachmittag muss die SWG aber nicht wegen einer „unangemessenen Bußkultur“ einschreiten. Gleich am Eingang überreicht ein Herr ein Werbeblatt für Gerd Schultze-Rhonhofs Hörbuch „Der Krieg, der viele Väter hatte“, in dem die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg relativiert wird. Die Besucher, von Ende 30 aufwärts und gut gekleidet, gehen in zwei Gruppen durch die Sammlung. Viel erklärt Grahn nicht: Hier ein technisches Detail, dort eine historische Anekdote. Einige Gäste führen intensive politische Gespräche. Vor einem der zahlreichen Schiffsmodelle beklagt ein Mann, bald „eine Minderheit im eigenen Volk“ zu sein. Zwischen Ehrenvitrinen für zwei Admiräle des Zweiten Weltkriegs erzählt er, wie er einen Schüler davor warnte, den Besuch der Gedenkstätte Bergen-Belsen zu boykottieren, da dies dem Geschichtslehrer missfallen könnte. „Das war ja auch alles ganz anders“, wirft eine Dame ein. Am Treppenaufgang, bei den U-Boot-Modellen, erläutert Backerra coram publico: „Wenn Schiffe angegriffen wurden, funkten deutsche U-Boot-Kommandeure: Wir brauchen Hilfe um die Menschen zu retten.“ Diese Rettungen seien durch Bombardierungen der „Amis“ behindert worden. „Wird ja heut’ verschwiegen“, behauptet der ehemalige Dozent für Militärisches Nachrichtenwesen an der Führungsakademie der Bundeswehr. Der Museumsführer führt schweigend weiter. Lange bleiben sie bewundernd vor den Uniformen und Ehrenzeichen des Nationalsozialismus stehen. Finger zeigen auf die Hakenkreuze, man kennt sich aus. Was sie wohl denken?

NS-Verbrechen sind bei der SWG, die in Hamburg als gemeinnützig eingetragen ist, kein Thema. Bundesweit soll der Verein 5.000 Förderer haben. In einem Aufruf ermahnte die SWG 2005 die Bundestagsabgeordneten „die zerstörerische Selbstbezichtigung“ zu beenden. Vor einer Puppe mit der Uniform von Großadmiral Alfred von Tirpitz stehend, erläutert Backerra laut, dass Tirpitz dafür „verantwortlich gemacht“ würde, „dass wir die Engländer bedroht hätten. Was nicht stimmt.“ Dieser Relativierung der Verantwortung für den Ersten Weltkrieg widerspricht Grahn nicht. Munter erklärt der Oberst a. D. gleich weiter: die Behauptung von „Weltmachtplänen Hitlers“ seien „völliger Unsinn“. „Ja“, stimmt Grahn jetzt zu. Die Gruppe zieht weiter in den nächsten Raum mit Degen, Dolchen und Gewehren. Manch rechter Literaturtip und Tagungshinweis wird noch ausgetauscht. „Lesen Sie die Junge Freiheit?“, fragt einer. Am Ende des Besuchs ereifern sich einige Herren weiter. „Churchill und Roosevelt haben unsere Kultur kaputt gemacht, unter dem Deckmantel, Hitler zu bekämpfen“, schimpft einer. Ein anderer meint: „Haben wir überhaupt noch eine eigene Identität?“