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Gerüchte um WDR-Intendant Fritz Pleitgen stehlen Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zur Eröffnung des Medienforums NRW die Show

Aus Köln Steffen Grimberg

Am Eingang zum Kölner Messegelände wartet ein Pulk trillerpfeifenbewehrter FilmstudentInnen auf NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Schließlich lässt dessen Landesregierung den Etat der Filmstiftung NRW empfindlich schrumpfen, auch sonst wurden die Ausgaben für Medienförderung im einst so reich damit bedachten televisionären Musterland heftig eingedampft.

„Nordrhein-Westfalen muss den Anspruch haben, im Mediensektor, in der Informations- und Kommunikationstechnologie Weltspitze zu sein“, hatte Rüttgers markig wenige Tage nach seiner Wahl zur Eröffnung des NRW-Medienforums 2005 erklärt. Und mancher hatte sich verwundert die Augen gerieben, weil sich der erste CDU-Ministerpräsident seit Jahrzehnten beinahe so anhörte wie der Erzmedienförderer Wolfgang Clement von der SPD.

Ein Jahr später, zum Auftakt des Medienforums 2006, bleibt davon – nichts. Rüttgers spricht blutleer und ideenarm, eine Pflichtübung vor immer noch gut gefüllten Rängen. Dabei ist Medienpolitik weiter wichtig an Rhein und Ruhr – und Köln die deutsche Fernsehstadt Nummer eins. Doch die Landesregierung, scheint es, hat damit nichts zu tun. „Das mit dem Digitalen steht fest“, sagt Rüttgers, „Daten sind Daten“ und „bislang wissen wir nicht, wie es weitergeht“. Dafür gibt es einmalig zehn Millionen Euro bei der NRW-Bank für Bürgschaften und Kreditfinanzierung für Filmprojekte und ein Förderprogramm für den landeseigenen Filmnachwuchs.

Spannend ist das nicht, aber der spannendste Mann sitzt bei Rüttgers Rede ohnehin im Publikum: Fritz Pleitgen, 68 Jahre alt, immer noch WDR-Intendant. Zwar hat der in diversen Gazetten schon mehrfach zu seinem Abschiedsfest in diesem Sommer eingeladen. Doch jetzt soll alles anders kommen, jedenfalls wenn es nach den CDU-VertreterInnen im Rundfunkrat der größten ARD-Anstalt geht. Vor der heutigen Sitzung des 43-köpfigen obersten WDR-Gremiums, meldet der Kölner Stadtanzeiger, wollen sie sondieren, ob ihr Initiativantrag Chancen hat: Pleitgen soll noch ein bisschen weiter machen. Denn ein geeigneter frischer Kandidat sei nicht in Sicht. Die parteilose ehemalige Staatsministerin für Kultur und Medien der rot-grünen Bundesregierung, Christina Weiß, wird zwar hier und da genannt, scheint aber bislang nicht mehrheitsfähig zu sein.

Eigentlich soll der Rundfunkrat, der über die Neubesetzung der Intendanz entscheidet, heute über die Einsetzung einer entsprechenden Findungskommission abstimmen. Doch noch entspricht dessen Zusammensetzung eher den alten rot-grünen Mehrheiten. Das Kalkül ist simpel: Pleitgen macht noch zwei Jahre weiter – und die CDU kann derweil bei den turnusmäßig anstehenden Neubesetzungen im obersten WDR-Gremium für klare Verhältnisse im staatsfernen Rundfunk sorgen.

Pleitgen zeigte sich gestern gegenüber der taz „überrascht“, erneuerte sein klares Ruhestandsbekenntnis aber ausdrücklich – nicht: Es gebe zwar „heute keine Antwort“, so Pleitgen: „Ich verfolge das mit Interesse.“ Zunächst müsse aber der Rundfunkrat diskutieren, „ob der Antrag überhaupt durchkommt“.

Dummerweise scheint niemand vorher mit Jürgen Rüttgers geredet zu haben. Dass die Politik „noch stärker in die Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss, halte ich für falsch“, sagt der NRW-Ministerpräsident passenderweise in seiner Eröffnungsrede. Und auch: „Die Politik sollte sich hier eher stärker zurückziehen.“