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Archiv-Artikel

Zu grob gerastert

Fünf Millionen NRW-Bürger gingen ins Netz der Rasterfahndung – gebracht hat es nichts und jetzt wurde es verboten. Doch nun bezweifeln Kritiker, dass die Fahndungsdaten wirklich gelöscht wurden

VON HOLGER PAULER

5,2 Millionen Nordrhein-Westfalen wurden zu Unrecht überprüft. Die bundesweite Rasterfahndung nach so genannten Schläfern in der Zeit nach dem 11. September 2001 war verfassungswidrig. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und gab damit einem ehemaligen Studenten der Universität Düsseldorf Recht. Der gebürtige Marokkaner hatte in Folge der Fahndung Verfassungsklage eingelegt.

„Wir begrüßen das Urteil“, sagte Bettina Gayk, Referentin bei der Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfD) in Nordrhein-Westfalen. Sie hoffe, dass der Beschluss weitreichende Folgen haben werde: „Behörden müssen demnächst eine konkrete Gefährdung nachweisen, wenn sie zu solch drastischen Maßnahmen greifen wollen.“ Ein Umdenken in der polizeilichen Praxis sei nun erforderlich.

„Der Bescheid bestätigt unsere Meinung“, sagte der Münsteraner Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler zur taz. Er hatte Anfang 2002 mehrere Mandanten vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht vertreten. Studenten marokkanischer und jordanischer Herkunft hatten Beschwerde gegen die Übermittlung ihrer Daten an die Polizei eingelegt. Das Gericht lehnte sie damals ab. „Wir hoffen, dass Polizei und Justiz sich in Zukunft an den Beschluss aus Karlsruhe halten“, so Achelpöhler.

Skepsis ist angebracht. So wollte das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss nicht ausschließen, dass die damals gespeicherten und mittlerweile gelöschten Daten ihre „Reise in die Dateien des Bundeskriminalamtes (BKA), der Landeskriminalämter (LKA) oder ausländischer Behörden“ angetreten haben. Dazu passt, dass immer noch Mitteilungen an Personen rausgehen, in denen steht, dass gegen sie im Zuge der Rasterfahndung ermittelt wurde. Ein persischer Arzt, der in den 80er Jahren vor dem iranischen Mullah-Regime geflohen war und 2001 an der Ruhruniversität Bochum sein medizinisches Staatsexamen machte, bekam nach Informationen der taz noch letzte Woche Post von der Polizei.

5,2 Millionen Datensätze aus NRW wurden in Folge der Rasterfahndung von Einwohnermeldeämtern, Hochschulen und dem Ausländerzentralregister an das zuständige Polizeipräsidium Düsseldorf übermittelt. Die Kriterien der so genannten Personenselektion lauteten: Männlich, Geburtsdatum zwischen dem 1.10.1960 und dem 1.10.1983. 11.004 Datensätze wurden schließlich „ausgerastert“ und an das BKA übermittelt. Die übrigen fünf Millionen Dateien wurden gelöscht. Die Überprüfungen des BKA konzentrierten sich nun auf gut integrierte Männer aus islamischen Herkunftsländern mit festem Job oder Studienplatz. Bis zum Juni 2003 wurden davon 9.500 Daten gelöscht, im Frühjahr 2004 sei laut LfD die „letzte Vernichtung der restlichen Daten“ erfolgt. Nach Angaben des NRW-Justizministeriums wurden acht Personen weitergehend überprüft. Dies habe allerdings nicht zur Einleitung eines einzigen Strafverfahrens geführt.

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